Lieferheld ganz unheldenhaft: Strafbefehl gegen Führungsteam erlassen

EXKLUSIV Kurz vor Jahresschluss rappelt es noch einmal richtig im Karton – besser gesagt im Pizzakarton. Kurz vor Weihnachten musste das Führungsteam des Lieferdienstvermittlers Lieferheld (www.lieferheld.de), gehört zum weltweit aktiven Start-up Delivery Hero (www.deliveryhero.com), eine mittelschwere Katastrophe verdauen: Die Berliner Staatsanwaltschaft erließ gegen die Lieferheld-Macher Nikita Fahrenholz, Caroline Iselor, Louis Pfitzner, Markus Fuhrmann, Angelo Laub, Claude Ritter und Fabian Siegel nach Informationen von deutsche-startups.de wegen des “gemeinschaftlich begangenen Vergehens der gewerbsmäßigen unbefugten Verwertung einer Datenbank” Strafbefehl.

Die Beschuldigten werden, so heißt es in einem Schreiben, welches uns vorliegt, von der Staatsanwaltschaft Berlin verdächtigt, “gemeinschaftlich gewerbsmäßig ohne Einwilligung der Datenbankinhaberin nicht unwesentliche Teile einer Datenbank wiederholt und systematisch vervielfältigt und öffentlich wiedergegeben zu haben”. Gemeint ist damit selbstverständlich die Datenbank von Marktführer Pizza.de (www.pizza.de). Unter der Überschrift “Alles nur geklaut? Der harte Wettkampf der Lieferdienste” berichteten wir bereits im Januar des vergangenen Jahres über die Vorwürfe in Sachen kopierte Speisekarten, Logos und mehr.

“Wir haben 50 Speisekarten aus Hamburg von lieferheld mit unseren verglichen und in allen, d. h. 100 % unsere Karten wiedergefunden”, sagte Sybille Steinbach von Pizza.de damals. Die Ermittlungen der Berliner Staatsanwaltschaft dauerten demnach extrem lange oder anders gesagt waren diese “intensiv und akribisch”. Offenbar auch, weil der Sachverhalt komplex und schwer zu beweisen ist. Die Staatsanwaltschaft legte kurz vor Weihnachten aber eine umfangreiche Übersicht vor, wie Lieferheld seine Datenbank zum Start aufbaute. Die systematische Vervielfältigung der Pizza.de-Datenbank begann demnach Ende 2010 mit dem Verschicken von Fax-Werbung an zahlreiche Lieferdienste in Deutschland. Die Faxnummern wurden dabei aus der Datenbank von Pizza.de übernommen. Danach versuchten die Lieferhelden Verträge mit diesen Lieferdiensten zu schließen.

Es folgte offenbar eine Lizenzierung der Software, die ein anderes Unternehmen erstellte, mit der die Daten aus der Datenbank von Pizza.de übertragen und wiedergegeben werden sollten sowie eine Überarbeitung der übertragenen Daten um die Herkunft zu verschleiern. Die Staatsanwaltschaft legte dabei umfassende Informationen vor, welche Personen, zu welchem Zeitpunkt mit der Plünderung der Pizza.de-Datenbank vertraut waren und beantragte deswegen Strafbefehle gegen die oben genannten Personen, welche kurz vor Weihnachten auch erlassen wurden. Die damit verbundene Geldstrafe liegt bei 90 Tagessätzen. Zur Erinnerung noch einmal ein Zitat von Lieferheld-Macher Siegel aus dem vergangenen Jahr: Fakt ist, dass alle bei Lieferheld.de verfügbaren Menues von uns selbst von Originalkarten der jeweiligen Restaurants eingegeben wurden. Ist ziemlich viel Arbeit – ich führe gerne einmal durch unsere Redaktion bei uns im Büro wer Interesse hat”. Ob Siegel momentan überhaupt noch Geschäftsführer von Lieferheld ist, bleibt offen. Der Berliner Flurfunk berichtet bereits von einem Abgang Siegels – im Streit. Telefonisch und per Mail ist Siegel momentan nicht zu erreichen. Per SMS teilt er auf erneute Nachfrage nur mit, dass er weiter Geschäftsführer von Lieferheld bzw. Delivery Hero sei. Zum erlassenen Strafbefehl wollte er sich zunächst nicht äußern.

Nach dem Erscheinen dieses Artikels am Samstag meldet sich Siegel dann noch einmal per Mail, ihm ist wichtig festzuhalten, dass es sich im Zusammenhang mit dem Strafbefehl um einen Vorfall aus den ersten Wochen der Unternehmensgeschichte von Lieferheld handle und es um einen kleinen Teil Menüdaten eines Wettbewerbers gegangen sei. Man habe damals sofort reagiert und den Missstand ausgeräumt. Auch auf der Facebookseite von Lieferheld gibt es inzwischen eine offizielle Stellungnahme von Lieferheld, nachdem Nutzer auf diesen Artikel hingewiesen hatten: “Der Strafbefehl bezieht sich auf einen Vorwurf aus den ersten drei Wochen unserer Unternehmensgeschichte in 2010 und betraf eine winzigen Teil von tausenden Menüs. Wir haben damals sofort reagiert und aus Fehlern gelernt. Wir sind froh, dass dieser Fall nun erledigt ist und möchten uns auch 2013 wieder voll auf unseren Service für euch konzentrieren”.

So viel zu den Datenbank-Räubereien, aber auch an anderer Stelle droht neuer Lieferheld Ärger: Und zwar im Verfahren wegen des Verdachts auf Computersabotage – siehe “Krieg der Lieferdienste: Griff Lieferheld Lieferando an? Alle Beteiligten nehmen Stellung“. Das Verfahren wurde wieder aufgenommen. Offenbar liegen der Berliner Staatsanwaltschaft neue Hinweise vor, dass Lieferheld hinter den Attacken auf Lieferando (www.lieferando.de) steckt. Auf einem der Server, von denen die Attacken offenbar gesteuert wurden, wurde jetzt eine Querverbindung in Form einer Lieferheld-Grafik entdeckt. Gründerszene hatte im Juli berichtet, dass Lieferheld von dem Vorwurf, seinen Wettbewerber Lieferando gehackt zu haben, freigesprochen wurde. Zum Sachverhalt: Es geht um sogenannte Denial of Service-Attacken (DDoS) den Lieferando mehrfach ausgesetzt war. Das Berliner Start-up hatte nach diesen Attacken Anzeige gegen Unbekannt gestellt. Und kürzlich – gemeinsam mit Pizza.de – ein Kopfgeld in Höhe von 100.000 Euro für die Ergreifung der Hintermänner ausgesetzt.

Vor allem für Lieferheld-Anschieber Team Europe wandelt sich das Start-up – wenn sich alle Vorwürfe und Anschuldigungen bewahrheiten – langsam aber sicher zum Albtraum. Wenn der Modeshop zalando die größte Wette der Samwer-Brüder und Rocket Internet ist, dann ist Lieferheld bzw. Delivery Hero wohl die größte und prominenteste Wette des Inkubators Team Europe rund um Lukasz Gadowski. Bei Facebook schreibt Gadowski nach dem Erscheinen dieses Artikels: “Wir haben keine Probleme mit oder Zweifel an der Integrität des Lieferheld Managements. Nor with the performace of the business. The issue is mainly PR. Partially fueled by competition/ frustrated ex business partners. Anyway: Thx to the DH/ LH management and every emplyoee: you all rock! HNY 2013!”.

Und mit 80 Millionen Euro eingesammeltem Kapital ist das Delivery Hero zudem eines der bestfinanzierten Start-ups aus Deutschland. Mit einem ganz großen weiteren Harken: Das Geld aus der letzten Finanzierungsrunde stammte vor allem von Kreos Capital und ist somit eher ein Darlehen denn eine klassische Finanzspritze durch einen normalen Risikokapitalgeber. Ein Darlehen in Höhe von knapp 40 Millionen Euro soll auf Delivery Hero lasten. Das Unternehmen verneint diese Zahl und spricht von einem Darlehen in Höhe von “unter 10 Millionen Euro”. Zu den weiteren Geldgebern des Unternehmen gehören Holtzbrinck Ventures (auch an ds beteiligt), Tengelmann Ventures, Kite Ventures und ru-net. Die angekündigte und für weiteres rasantes Wachstum auch notwendige 100 Millionen-Finanzierung für Delivery Hero lässt aber weiter auf sich warten. Vielleicht weil die Hauptstädter keine weiteren Geldgeber auftreiben können? Gerade das Darlehen von Kreos spricht für viele Szenebeobachter für diese These. Hoffentlich folgt dem schnellen Aufstieg von Lieferheld nun nicht der harte Absturz – dies wäre schlecht für die ganze deutsche Gründerszene.

Foto: istockphoto

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Hausbesuch bei Lieferheld

Anfang November 2011 durfte sich deutsche-startups.de beim Berliner Start-up Lieferheld einmal ganz genau umsehen. In den riesigen Büroräumen – umweit der Friedrichstraße – arbeiten über 100 Lieferhelden in sehr schicken Räumlichkeiten. Das Büro ist vollgepackt mit Bildern von Superhelden aller Art, etlichen großen Pappkameraden und ganz ganz vielen leeren Pizzakartons. Einige heldenhafte Eindrücke gibt es in unserer kunterbunten Fotogalerie.