“Man kann die Attraktivität des Fernsehens für den Zuschauer noch erhöhen” – Tobias Schmidt von wywy
Das Münchner Unternehmen wywy (www.wywy.com) kalibriert das Fernsehprogramm mit Second-Screen-Apps, um eine sekundengenaue Interaktivität zu ermöglichen. Im Interview mit mobilbranche.de-Macher Florian Treiß spricht wywy-Mitgründer Tobias Schmidt über Interaktivität, automatische Inhaltserkennung und Prämien.
Herr Schmidt, Sie haben 2004 die MineWolf Systems gegründet, einen Hersteller von humanitären Minenräumgeräten. Nun kehren Sie mit wywy in die Medienwelt zurück. Was reizt Sie persönlich am Thema “Second Screen”?
Ich bin fasziniert von den Möglichkeiten, endlich mehr Interaktivität ins Fernsehen zu bringen, welche sich durch die schlagartige Verbreitung von Smartphones ergeben. Schon in meiner Zeit im Venture Capital vor über 10 Jahren war interaktives Fernsehen immer wieder ein Thema, aber die technischen Möglichkeiten und die Verbreitung brauchbarer Endgeräte waren einfach noch nicht so weit. Nach Jahren in einem Nischenmarkt freut es mich zudem, wieder in einem Massenmarkt zu arbeiten, bei dem ich mich selbst ein begeisterter Nutzer und Kunde unserer Produkte bin.
Wenige Monate, nachdem Sie zu wywy gekommen sind, feiert nun die App des Unternehmens Premiere. Was sind ihre wichtigsten Funktionen?
Die App ist ein mobiler Fernseh-Begleiter. Ohne Aufwand kann man man per automatischer Inhaltserkennung in diejenige Fernsehsendung “einchecken”, die man gerade schaut. Dort trifft man auf Gleichgesinnte, um sich mit Ihnen im Chat über das Programm auszutauschen, oder via Facebook und Twitter seinen Freunden mitzuteilen, was man gerade schaut. Für seine Check-ins erhält der Benutzer lustige Trophäen und Punkte. Da wir aufgrund unserer “Audio Fingerprinting” Technologie verifizieren können, dass Benutzer die Sendungen in welche sie sich einchecken auch wirklich schauen, sind wir in der Lage, für die gesammelten Punkte attraktive Prämien in Form von Gutscheinen an die Benutzer zurückzugeben.
wywy grenzt sich von anderen Apps dieser Art dadurch ab, das die App die Zuschauer fürs TV schauen belohnt. Ist das TV-Programm heute so schlecht, dass man dafür mit Gutscheinen bezahlt werden muss? Oder was ist der Hintergrund?
Unabhängig davon, wie gut oder schlecht das Programm ist: Fakt ist, man kann die Attraktivität des Fernsehens für den Zuschauer noch erhöhen. Kundenbindung durch Prämien sind ein Teil davon, in jeder Industrie von Flugmeilen bis Shopping-Punkte haben sich solche Programme etabliert; dass sie bis dato in der Fernsehindustrie noch nicht Fuß gefasst haben, hat aus unserer Sicht primär technische Gründe. Bonuspunkte sind aber nicht der einzige Grund, warum Nutzer unsere App herunterladen. Es ist ein natürliches Bedürfnis, sich über die Inhalte mit denen man sich beschäftigt, auszutauschen. Zu meiner Schulzeit war Montags in der Pause “Wetten dass…” das Thema auf dem Schulhof – heute besteht das Kommunikationsbedürfnis weiterhin, aber man wartet nicht 2 Tage um sich Angesicht-zu-Angesicht darüber zu unterhalten – so etwas passiert heutzutage live und im Netz, und wywy bietet eine geeignete Plattformen dafür.
Einerseits dienen “Second Screen”-Apps dazu, dass sich Zuschauer untereinander übers laufende Programm austauschen können. Andererseits bieten sie neue Möglichkeiten der Werbevermarktung auf diesem zweiten Bildschirm. Welchen Ansatz verfolgen Sie hier.
Wir fokussieren uns darauf, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten. Das sind derzeit Prämien, informative Elemente (Hintergrundinformationen zum Programm) spielerische Elemente (Trophäen und Ranglisten) und Kommunikationselemente (Chat, Facebook und Twitter). Mittelfristig werden weitere Funktionalitäten hinzukommen, die das Erlebnis “Fernsehen” für den Nutzer attraktiver machen. Die Werbevermarktung steht zunächst im Hintergrund – wenn die Kunden happy sind, kommen die Werbenden automatisch. Dass es für Werbenden attraktiv sein wird, zielgerichtet auf dem Second Screen einen Rückkanal für die auf dem First Screen ausgestrahlte Werbung einzurichten, liegt auf der Hand. Das sollte auch den “Beworbenen” freuen, denn statt sich mühsam Sachen zu merken oder herauszufinden, wo im Fernsehen gesehene oder beworbene Produkte käuflich erhältlich sind, werden Second-Screen Apps wie wywy ihm dabei helfen.
Mit der Musikerkennungs-App Shazam versucht parallel eine schon recht bekannte Mobile-Marke, ähnlich wie wywy mit Hilfe von Audioerkennung auch das TV-Programm zu identifizieren. Haben Sie keine Angst vor einem solch großen Namen?
Wir sehen es als Bestätigung für die Attraktivität unseres Marktes, wenn sich ein seit Jahren in Musikmarkt etablierter Spieler wie Shazam mit Priorität dem Fernsehen zuwendet. Wir haben aber keine Angst; technologisch gesehen sind wir wohl auch auf absehbare Zeit der einzige, der in Europa die Mehrheit aller relevanten Kanäle erkennen kann. Es ist halt etwas anderes, ob man live und in Echtzeit seine Datenbank aufbaut, oder gegen eine statische Datenbank mit vorher bekannten Inhalten vergleicht, wie es Shazam tut. Anders als in der globalen Musikindustrie ist das Fernsehen doch ein recht lokaler Markt, und Shazam wird noch auf absehbare Zeit damit beschäftigt sein, im englischsprachigen Raum einen akzeptablen Service zu bieten.
wywy will nicht nur die eigene senderübergreifende App anbieten, sondern zugleich auch als Dienstleister seine Technologie für die Apps der TV-Sender selbst anbieten, sozusagen als Whitelabel-Lösung. Wie kommen Sie mit diesen Bestrebungen voran?
Wir sind weltweit in Gesprächen mit vielen Sendern, Produzenten, und App-Anbietern. Wir glauben, dass es auch in der “Second Screen Industrie” Trends zu Standardsoftware und geteilter Infrastruktur gibt, und dass jede Marke sich auf Ihr Kerngeschäft, nämlich Ihre Marke, Inhalte und Kunden, fokussieren sollte. Da helfen wir gerne, wenn es auf der technologischen Seite Synergien gibt.
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