So gewinnen Start-ups begehrte Entwickler für sich: Der zweite Blick

Willst Du mit mir gehen? So gewinnen Start-ups begehrte Entwickler für sich. Teil 2: Der zweite Blick – Gastbeitrag von Lars Fink (siehe links), Gründer der IT-Personalberatung next level.

Eine der größten Herausforderungen beim Aufbau eines Tech-Start-ups besteht darin, gute Entwickler für sich zu gewinnen. Denn beim Aufbau eines IT-Teams betreten die Gründer häufig Neuland. Wenn sie nicht zufällig Geschäftsführer, Developer und Recruiter in einer Person sind, kann sich die Mitarbeitersuche schnell in die Länge ziehen. Diese Serie liefert die wichtigsten Tipps für die vier entscheidenden Phasen des Recruiting-Prozesses – der sehr viel Ähnlichkeiten mit der Partnersuche aufweist. Im ersten Teil (Der Augenkontakt) haben wir gezeigt, wo Entrepreneure mit Entwicklern in Kontakt kommen können und wie man sie am besten anspricht. In der zweiten Phase kommt der Flirt auf den Prüfstand: Lohnt sich ein Date?

Teil 2 – Der zweite Blick

Wer den Blick eines Entwicklers erfolgreich auf sich gelenkt hat, hat die erste Hürde gemeistert: Aufmerksamkeit und ein grundsätzliches Interesse für die Position sind geweckt. Doch wie sieht es bei näherer Betrachtung aus? Sowohl Arbeitgeber als auch potentieller Jobwechsler wollen wissen, ob sich ein persönliches Kennenlernen für sie lohnt.

Neben dem eigenen attraktiven Angebot gibt es für den begehrten Spezialisten noch andere gut aussehende Optionen. Deshalb zählt jetzt vor allem Schnelligkeit. Ein Telefongespräch ist kurzfristig planbar, direkt und gleichzeitig unverbindlich genug. Ein persönliches Treffen setzt dagegen ein ziemliches zeitliches Commitment vorraus. Besser ist es, vorab zu klären, ob beide Seiten für ein persönliches “Rendezvous” bereit sind.

Im telefonischen Austausch lässt sich prüfen, ob es fachlich und persönlich “funkt”. Der Gründer gewinnt einen ersten Eindruck von dem Entwickler, kann wichtige Fragen direkt klären und mögliche K.O.-Kriterien ausschließen. Das spart nicht nur ihm, sondern auch dem Entwickler Zeit und Geld. Ein persönliches Telefonat ist in jedem Fall effektiver und ausdrucksvoller als alle lockenden Stellenangebote in den Medien.

Aus diesen Gründen sollten gerade junge Unternehmen das Telefoninterview zu einem festen Bestandteil ihres Recruiting-Prozesses machen. So lässt sich von Anfang an vermeiden, dass die vielversprechende Verabredung zum ernüchternden “Blind Date” wird.

Wie bereite ich mich vor?
Bevor man den Hörer in die Hand nimmt, gibt es mehrere Dinge zu beachten: Der Zeitpunkt des Anrufs ist bei Bewerbern aus dem IT-Bereich entscheidend. Schließlich geht es um eine elementare Fragestellung, die man nicht am Arbeitsplatz verhandeln kann. Und das nicht nur, weil dort kein vertrauensvolles Gespräch geführt werden kann. Rechtlich ist das Abwerben am Arbeitsplatz, wenn es über die erste Kontaktaufnahme hinausgeht, nicht erlaubt. Ein unangekündigter Anruf – womöglich auch noch auf dem Büroanschluss – ist deshalb tabu. Stattdessen verabredet man sich über das private Handy des Kandidaten zu einem geeigneten Zeitpunkt. Dieser kann häufig frühmorgens, aber auch am Abend oder in der Mittagspause sein. Hier sollte man die notwendige Flexibilität mitbringen.

Vor dem ersten Kennenlernen hält man sich die wichtigsten Infos und Fragen zum Bewerber noch einmal vor Augen. Doch auch die eigene Geschichte muss sitzen. In der Kürze der Zeit gilt es, das Unternehmen, die technologische Roadmap und das bisherige Team überzeugend zu präsentieren. Und auch der Job selbst sollte schnell und präzise beschrieben werden können.

Kein Interview ohne Leitfaden. Er gibt dem Gespräch Struktur und enthält alle Themen, die für die jeweilige Position relevant sind. D.h. die Rahmenbedingungen und die wichtigsten Skills, die der Job erfordert. Auf dieser Basis kann sehr schnell entschieden werden, ob eine weitere Vertiefung überhaupt Sinn macht. Wenn der geplante Gesprächsablauf am Anfang kurz zusammengefasst wird, hat auch der Bewerber eine Orientierung – und einen professionellen Eindruck vom Arbeitgeber.

Eine geeignete Gesprächsstruktur sieht so aus:
1. Einstieg: Der Ansprechpartner stellt sich und sein Unternehmen vor.
2. Konkrete Stellenbeschreibung: Die zu besetzende Position wird kurz skizziert.
3. Kandidat: Jetzt ist der Bewerber an der Reihe, sich und seine Motivation zu beschreiben.
4. Passung: Die gegenseitigen Vorstellungen und Anforderungen werden abgeglichen.
5. Nächste Schritte: Wie geht es weiter?

Stimmen unsere Erwartungen überein?
Im Telefoninterview wird die Grundsatzfrage geklärt, ob Entwickler und Start-up zueinander finden können. Durch Stellenausschreibung und anschließende Bewerbung wurden auf beiden Seiten Erwartungen geweckt, die jetzt auf den Prüfstand kommen. Als Unternehmer befindet man sich hier in einer ambivalenten Situation: Zum einen wirbt man um den heiß ersehnten PHP- oder Ruby-Guru, den man so schnell wie möglich braucht, um mit der Plattformentwicklung voranzukommen. Dazu wird das eigene Start-up in den schönsten Farben dargestellt. Zum anderen will man auch sichergehen, dass es sich wirklich um einen Guru, und nicht etwa um einen Scharlatan handelt. Man sollte auf keinen Fall Hemmungen haben, nachzuhaken und kritisch zu hinterfragen. Gute Leute fühlen sich angespornt, wenn sie in einem anspruchsvollen Bewerbungsprozess gefordert werden, wenn die Auswahl ernst genommen wird und sie Raum bekommen, ihre Kompetenz zu demonstrieren.

Der Kandidat sollte seine Arbeitserfahrungen und ein oder zwei ausgewählte Projekte auch im direkten Gespräch auf den Punkt bringen können. Insbesondere seinen persönlichen Beitrag: Hat er die Architektur definiert oder eher bei der Umsetzung mitgewirkt? Wer hat die Technologieentscheidungen getroffen? Die dicken Bretter im Backend wurden von anderen gebohrt? Das Tuning der Datenbank wurde selbst vorgenommen? Der Fokus bei diesem konzentrierten Lebenslaufbericht sollte vor allem auf den benötigten Techs liegen: Erfüllt der Developer die wichtigsten Aspekte des Anforderungsprofils? Passt der Technologie-Stack? Denn manche “Details”, wie z.B. die verwendeten Frameworks, werden nicht immer in der Bewerbung genannt.

Sind wir auf einer Wellenlänge?
Entwickler wissen, dass sie begehrt sind. Das Gespräch sollte deshalb weder von oben herab, noch anbiedernd geführt werden. Überzeugend ist eine Unterhaltung auf Augenhöhe. Wer selbst authentisch auftritt, wird auch den Charakter des Bewerbers besser einschätzen können. Es gilt, herauszufinden, mit welcher Motivation ein Entwickler den Job wechseln will: Was soll besser werden? Was ist ihm am Beruf besonders wichtig? Wie sieht sein Wunscharbeitgeber aus? Will da jemand nur seinen Marktwert testen? Oder besteht ein wirkliches Interesse am Start-up, eine echte Begeisterung für die Geschäftsidee? Das wird vor allem dann deutlich, wenn der Bewerber selbst viele Fragen stellt.

Ob man auch persönlich einen Draht zueinander hat, entscheidet sich meistens schon in den ersten Minuten. Die Charakterzüge können in dieser Zeit kaum tiefenpsychologisch analysiert werden. Doch die Ausdrucksweise, die Stimme und das Redetempo geben erste Hinweise, ob jemand eher kommunikativ oder zurückhaltend, detailverliebt oder fokussiert, emotional oder sachlich auftritt. In aller Regel bestätigt sich dieser erste Eindruck dann auch bei einem gegebenenfalls folgenden persönlichen Gespräch.

In der Regel sollte das Telefoninterview nicht länger als eine halbe Stunde dauern. Hier kann man schon gut herauszufinden, ob man fachlich und persönlich zueinander passen könnte. Folgt dann eine feste Beziehung? Das ist natürlich immer noch offen. Wichtig ist aber, dass gleich der nächste Schritt festgelegt wird. Gegebenenfalls kann man direkt im Gespräch ein Feedback geben und sich für das Vorstellungsgespräch verabreden. Oder man meldet sich in ein bis zwei Tagen zurück. Länger sollte es aber nicht dauern – es ist ja keine Entscheidung über die Einstellung selbst. Spätestens, nachdem man eine Nacht darüber geschlafen hat, ist einem in der Regel klar, ob man ein persönliches Date spannend findet. Mehr zum persönlichen Interview und Probetagen dann im nächsten Beitrag.

Zur Person
Lars Fink ist Geschäftsführer der next level GmbH (www.nextlevel.de), einer Personalberatung, die auf die Vermittlung von IT-Experten spezialisiert ist . Bereits seit 1995 ist er als Serial Entrepreneur im Internet unterwegs. U.a. hat er die Performance Marketing-Plattform Ligatus erfolgreich aufgebaut und 2008 an Gruner+Jahr verkauft. Mit next level gründete er eine Personalberatung, die er sich selbst früher gewünscht hätte. Bei Fragen meldet Euch einfach gerne bei: lars.fink(a)nextlevel.de.

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