“Uns verbindet viel mehr, als der gleiche Absender auf der Gehaltsabrechnung” – Stephan Bayer von sofatutor
Bei der Berliner Online-Nachhilfe-Plattform sofatutor (www.sofatutor.com) können Nutzer Lerninhalte ab der 1. Klassenstufe büffeln. Nach eigenen Angaben nutzen mehr als 30.000 User den Dienst mit seinen mehr als 7.700 Videos. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht sofatutor-Mitgründer Stephan Bayer über Online-Einzel-Nachhilfe, geschulte Lehrerteams und Pubcrawls.
Acton Capital Partners, J.C.M.B. und die IBB Beteiligungsgesellschaft investierten kürzlich einen mittleren einstelligen Millionenbetrag in sofatutor. Wie geht es nun weiter?
Da haben wir aktuell einiges zu bieten: Wir sind erst kürzlich mit unserer Produkterweiterung für die Grundschule gestartet und beobachten nun die ersten Nutzer. Schrittweise werden wir die Vermarktung unseres neuen Angebots steigern. Zusätzlich wird in den nächsten Tagen die mobile Version von sofatutor.com online gehen, was viele unserer Kunden freuen wird, die auf Smartphones und Tablets lernen möchten. Die Internationalisierung im deutschsprachigen Raum ist aktuell auch Thema bei uns. Wir sind dabei, unsere Plattform explizit für die Länder Österreich und Schweiz anzupassen. Technisch entsteht so auch die Basis dafür, in Zukunft in einer anderen Sprache zu launchen. Auf unser jüngstes Release bin ich besonders stolz: Die Online-Einzel-Nachhilfe bei sofatutor.com. Während Grundschul-Expansion, Internationalisierung und mobile Version die Zielgruppe von sofatutor.com breiter machen, erweitern wir mit der Online-Einzel-Nachhilfe unser Feature-Set gewaltig.
Wie genau funktioniert diese Einzel-Nachhilfe?
Wer möchte, kann sich ab sofort bei sofatutor.com von einem persönlichen Nachhilfelehrer unterstützen lassen. An zuvor gesetzten Terminen wird bequem von zu Hause über Video-Chat kommuniziert – ein Konzept, das in den USA seit Jahren funktioniert. Wir finden, der deutsche Nachhilfemarkt ist reif für diesen Service und sofatutor.com ist bereit für diese nächste Ausbaustufe. Realisiert wird dieser Schritt durch eine Kooperation mit dem Studienkreis. Bei der engen Zusammenarbeit mit dem großen Nachhilfeinstitut fließen Online-Know-How und jahrelange Erfahrung in der Einzelnachhilfe optimal zusammen.
Was sind die größten Herausforderungen bei der Internationalisierung?
Unser Content ist deutsch. Somit ist Schritt Nr. 1 unserer Internationalisierungsstrategie die Expansion nach Österreich und in die Schweiz. Die Schulsysteme sind in beiden Ländern unterschiedlich. Zwar wird überall mehr oder weniger der gleiche Stoff vermittelt, doch die Zusammenstellung der Lehrpläne variiert stark und viele Bezeichnungen unterscheiden sich. Ein simples Beispiel: In Österreich und der Schweiz werden die Klassenstufen anders gezählt als in Deutschland, weshalb wir die gesamte Plattform, die unsere Lernvideos nach Fach und Klassenstufe geordnet anbietet, anpassen müssen. Auch die Namen der Fächer und einzelne Bezeichungen mussten dementsprechend geändert werden. Aus dem Abitur wurde dann die Matura und so weiter.
Wie sehr hat sich sofatutor als Unternehmen aber auch das Geschäftsmodell von sofatutor seit dem Start 2009 entwickelt bzw. verändert?
An der Mission von sofatutor.com hat sich im Grunde nichts verändert: Unser Ziel ist es, die klassische Nachhilfe durch ein smartes Online-Produkt zu digitalisieren. Wir haben dabei den Anspruch, qualitativ hochwertig und als Online-Produkt gleichzeitig besonders preiswert zu sein. Da alle Schüler und Studierenden sowohl kontinuierlich als auch zielorientiert lernen, basiert unser Geschäftsmodell seit unserem Launch 2009 auf dem Verkauf von unterschiedlichen Abo-Modellen. Blickt man auf die Details, hat sich dagegen viel verändert: Das Produkt als Ganzes hat sich enorm weiterentwickelt. Wir haben uns vom User-Generated-Content verabschiedet und produzieren unsere Lernfilme nun professionell inhouse. Soziale Features wie private Nachrichten, Gruppen oder Terminplanung haben wir getestet und wieder offline genommen. Dafür wurden andere Features inzwischen fest integriert. Dazu zählen unsere interaktiven Tests zur Selbstkontrolle und der tägliche Chat mit unserem geschulten Lehrerteam. In nächster Zeit wird es sich bei uns viel um Curation drehen und wir experimentieren mit weiteren Features.
Warum hat das Hypethema User-Generated-Content nicht funktioniert?
Ein großes Problem war, dass die Lerninhalte in den selbstgedrehten Videos oft eher schlecht als recht rübergebracht wurden. Manch einer konnte zwar gut erklären, hatte aber nicht die technische Ausstattung, um ein Video zum Beispiel ohne störende Hintergrundgeräusche aufzunehmen oder das Bild richtig auszuleuchten. Andere sind tolle Performer vor der Kamera, aber fachlich schwach. Am Ende muss einfach alles stimmen: Bild, Ton und auch die didaktische Vermittlung des Inhalts.
Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Wir brauchten mehrere Anläufe, um die vielen tausend Videos und Tests auf der Plattform richtig zu kombinieren, sodass sie den Lehrplänen entsprechend nach Fächern, Themen und Klassenstufen sortiert sind. Auch unser Versuch, sofatutor.com zu Beginn mit Funktionen zum Lernen in Gruppen auszustatten, verlief nicht so, wie wir uns das damals vorgestellt hatten.
Und wo haben Sie Ihrer Meinung nach alles richtig gemacht?
Richtig und wichtig war unsere Entscheidung, viel Energie in die hochwertige Produktion unserer Lernvideos zu investieren. Die Qualität hat sich in den letzten Jahren kontinuierlich verbessert. Richtig war auch, dass wir viel Zeit und Energie in eine familiäre und freundliche Atmosphäre innerhalb unseres Teams gesteckt haben. Darüber hinaus blicken wir von Anfang an viel auf Prozesse und experimentieren mit diversen Ritualen. Die sehr geringe Fluktuation in unserem Kernteam zeigt, dass auch das richtig ist.
Was heißt es denn, dass Sie “viel Zeit und Energie in eine familiäre und freundliche Atmosphäre” investiert haben?
Das fängt bei den Teammitglieder und unserem Bewerbungsprozess an: Es sind mehrere Gespräche nötig, um bei sofatutor.com die Einladung für einen Probearbeitstag zu bekommen. Kritisch für die Aufnahme ins Team ist nicht nur die fachliche Eignung, sondern auch, dass der oder die Neue mit dem Team “klickt” und ihm oder ihr etwas am Thema Bildung liegt. So fanden in den vergangenen Jahren viele Menschen zu uns, die gerne an einem Onlineprodukt arbeiten, aber auch den Anspruch haben, etwas zu erschaffen, das einen echten Stellenwert im Leben von jungen Menschen hat. Diese Sinnstiftung durch das Produkt, um das sich alles dreht, ist ein guter sozialer Filter für Teammitglieder. Klar, dass uns so viel mehr verbindet, als der gleiche Absender auf der Gehaltsabrechnung am Ende des Monats. Um transparent zu machen, was wer im Einzelnen für “das große Ganze” tut, organisieren wir unsere Planung in einem scrum-ähnlichen Prozess und visualisieren unsere Aufgaben an einem Board. Das ist ein Zeitinvestment, das Transparenz schafft und uns weniger in einzelnen Abteilungen denken lässt. Stimmungen, Highlights und Stressoren werden jeden Freitag im Review mit dem gesamten Team ausgetauscht. Daneben gibt es Spaß-Events wie Pubcrawls, Picknicks, Wochenendfahrten zu Barcamps und unseren Pasta-Friday: Jeden Freitag werden drei Teammitglieder ausgelost, die Pasta für das gesamte Team kochen. Meistens schauen wir danach noch die ersten Lernfilme unserer neuen Produzenten an. Das klingt alles etwas nerdy, aber so sieht’s halt bei uns aus und ich finde “familiär” trifft es ganz gut.
Wie steht es denn wirtschaftlich um sofatutor, lohnt sich das Geschäft bereits?
Wir sind mit allen Kennzahlen sehr zufrieden. Sowohl, was die Neukunden angeht, als auch die Aktivität unserer Bestandskunden. Falls die Frage meint, ob wir break-even sind: Nein, um unsere monatliche Burnrate zu decken, haben wir ja den Invest aufgenommen. Aber über den Punkt, an dem die Erkenntnis reifte, dass man mit Online-Nachhilfe ein nachhaltiges Geschäft aufbauen kann, sind wir schon lange hinaus.
Wo steht sofatutor in einem Jahr?
Wir werden den kompletten Schulstoff in allen für Nachhilfe besonders relevanten Fächern abgefilmt haben und damit in der Lage sein, zu jeder Frage eines Schülers das passende Video zu bieten. Die Interaktivität unseres Angebotes wird sich weiter verstärken und wir werden weitere Kooperationen mit den großen Playern im Bildungsmarkt eingegangen sein.
Zur Person
Stephan Bayer studierte Sozialwissenschaften und Betriebswirtschaftslehre an der Humboldt-Universität in Berlin und gründete gemeinsam mit Andreas Spading sofatutor.
Hausbesuch bei sofatutor
In den vergangenen Jahren durfte sich deutsche-startups.de schon zweimal bei sofatutor umsehen. Diesmal durfte sich ds-Haus- und Hoffotograf Andreas Lukoschek bei der Nachhilfe-Plattform ganz genau umsehen. Er fand viele bunte Bastelmaterialien, den obligatorischen Start-up-Kicker und nostalgische Wintergrüße. Einige Eindrücke in unserer Fotogalerie.
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