Mundpropaganda als letzte Rettung – Das App Discovery-Problem verschärft sich
Das Entdecken neuer Apps ist und bleibt die Achillesverse der Mobile App Economy – sowohl für Developer als auch für Nutzer von Smartphones und Tablets. Inzwischen gibt es 725.000 Apps allein für das iPhone und rund 600.000 für Android, doch nur ein Bruchteil von ihnen wird gefunden. Mit dem neuen Betriebssystem iOS 6 wollte Apple die App Discovery verbessern und setzt dabei auf Technologie des im Frühjahr akquirierten App-Suchdiensts Chomp. Das Ergebnis: Alles ist noch schlimmer geworden. Zumindest nach Ansicht einiger Indie App Entwickler wie Lightwood Games oder Pixite.
So wurde das Sortieren nach Erscheinungsdatum entfernt – was vor allem kleineren Developern eine Chance gegeben hatte, gefunden zu werden ohne in den Top 25 Charts platziert zu sein. Zudem zeigt das neue Layout bei der Suche nur noch je eine App, statt wie bisher eine Liste, die sich schnell durchscrollen ließ. Apple wollte mit größeren Screenshots nutzerfreundlicher werden, denn die Listenansicht sagt letztlich wenig aus, wenn User eine App nicht kennen. Zur Folge hat dies jedoch, dass insgesamt weniger Suchergebnisse wahrgenommen werden.
App Store Optimzation (ASO) wird immer wichtiger
Mit dem neuen Design wird App Store Optimization (ASO) in Beschreibungstexten noch relevanter werden, um bei speziellen Keyword-Kombinationen weit vorn zu landen.
Matthäus Krzykowski, Gründer der alternativen App-Suche Xyologic (www.xyologic.com), beobachtet den Trend zum mobilen SEO schon länger. „Nach Schätzungen werden 40 bis 50 % aller Downloads über die Suche generiert, weil andere Entdeckungs-Mechanismen nicht so gut funktionieren“, sagt er. Developer sollten daher auf Xyologic und anderen Services wie AppCod.es nach geeigneten Suchbegriffen forschen, um besser gefunden zu werden. Anders als bei der Websuche, zu der es viele Erkenntnisse und eine ganze SEO Industrie gibt, ist mobile Suchoptimierung größtenteils noch eine Black Box und viele App Entwickler wissen gar nicht um ihre Bedeutung.
Kampf um Aufmerksamkeit
Grundsätzlich sei es für neue Apps viel schwerer geworden, meint Krzykowski: „Einige Developer meinen immer noch, dass es ausreicht, eine App in den App Store einzustellen und den Rest erledigt Apple – doch das stimmt einfach nicht mehr.“ Laut einer Xyologic-Studie schaffen nur noch 200 bis 300 verschiedene Apps im Laufe eines Monats den Sprung in die Top 100, obwohl zehn- bis fünfzehntausend neue Titel monatlich starten. Und lediglich 0,1 % der Apps machen zusammen 50 % aller Downloads aus. Zurzeit herrsche so starker Wettbewerb, dass viele sogar Verlust in Kauf nehmen und enorme Summen für Marketing bezahlen, nur um Marktanteile zu sichern.
iOS dominiert beim App-Marketing
Die allermeisten Developer können von ihren Apps nicht leben, aber es gibt die berühmten Ausnahmen: Supercell aus Finnland oder Natural Motion nehmen mit ihren Games für iPhone und iPad mehrere Hunderttausend Dollar pro Tag durch In-App Käufe ein. Zahlen wie diese verdeutlichen, warum App Marketing immer noch fast ausschließlich auf Apples App Store fokussiert und neue Titel dort bevorzugt erscheinen. Android Apps monetarisieren wesentlich schlechter. Fast alle Developer, die auf beiden Plattformen produzieren, berichten, dass iOS ein Vielfaches einbringt. Zudem reagiert Googles Play Marktplatz träger als der App Store. Man braucht also langen Atem bei deutlich niedrigeren Erträgen. Um eine Vielzahl an Usern zu erreichen, bietet Android allerdings Vorteile, denn der Markt ist etwas weniger umkämpft als bei iOS.
Die Reise-App Tripwolf (www.tripwolf.com) setzt fürs Marketing auf klassische PR, bei iOS auch auf Push Dienste, die ihren Nutzern täglich eine App empfehlen und so Downloadzahlen ankurbeln. „Speziell bei Neuankündigungen können wir über diese Services kurzfristig zehntausende Downloads erreichen und im Ranking nach oben schießen“, sagt Geschäftsführer Sebastian Heinzel. Die Preise variieren und gehen je nach Anbieter bis in den vierstelligen Bereich für eine Promotion. Doch es lohnt sich, denn in den Apple-Charts rückt man schlagartig ins Blickfeld von Millionen von Usern. „Mit dem App Store Ranking steht und fällt alles. Aber es muss nicht unbedingt die Top 25 sein. In großen Märkten wie den USA macht es auch einen Riesenunterschied, ob man auf Platz 300 oder 120 liegt“, so Heinzel.
Apple sieht App-Empfehlungsdienste kritisch
Apple hat die App-Empfehlungs-Apps nun im Visier – eine Änderung der AGBs deutet an, dass es mit dem App-Pushen bald vorbei sein könnte. Alternativ lassen sich Apps auch über die zahlreichen mobilen Werbenetzwerke vermarkten, etwa Trademob (www.trademob.com) aus Berlin. Trademob arbeitet unter anderem mit Kunden wie Universal Music, HRS oder Wooga zusammen. Die Installs werden über internationale und lokale Werbenetzwerke generiert. Dabei konzentriert man sich auf mobile Display Werbung, „weil das der einzige Kanal ist, mit dem man sehr viele User in kurzer Zeit gezielt erreichen kann“, so Gründer und Geschäftsführer Ravi Kamran. Laut Kamran kosten App Installs pro User zwischen 70 Cent bis hin zu sieben Euro, je nach Kategorie und Land.
Manchmal braucht es jedoch gar kein riesiges Marketingbudget – gesetzt den Fall, eine App bringt User zum Reden. Die Marktforscher von EEDAR haben kürzlich bei Nutzern nachgefragt, wie sie eigentlich neue Apps und Games entdecken. Das Ergebnis: Die meisten Downloads werden auf Empfehlung von Freunden hin getätigt, also mittels guter alte Mundpropaganda verbreitet.
Foto: istockphoto
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