Plan.io: Kaum PR, Null Venture Capital – wirtschaftlich erfolgreich

Natürlich berichten wir über die Start-ups, die von Investoren richtig Geld einsammeln. Und selbstverständlich lässt auch deutsche-startups.de die jungen Unternehmen nicht außen vor, um die es einen Hype gibt. Start und Einstellung von Wunderkit waren solch ein Beispiel. Aber mal ehrlich: Bie den meisten Unternehmen funktionieren Gründung und Entwicklung doch sehr viel bodenständiger. Eines dieser Unternehmen kam jetzt auf uns zu und machte uns den Vorschlag, doch auch mal über die Entwicklung solch eines Start-ups zu schreiben. Machen wir. Machen wir gern. Plan.io (www.plan.io) ist ein Projektmanagement-Dienst mit eigenem App-Store und seit Mitte 2009 am Start.

Plan.io-Gründer und CEO Jan Schulz-Hofen plaudert sehr offen und angenehm entspannt aus dem Nähkästchen – es ist ein langes Interview geworden, aber es enthält so viele gute Anregungen und Learnings für Gründer, dass wir es in voller Länge bringen.

Hallo Jan, erzähl doch mal bitte, wie Ihr mit plan.io begonnen habt.
Wir sind vor knapp 3 Jahren mit einem ganz soliden Produkt an den Markt gegangen, das wir – damals noch als Agentur – selbst bereits jahrelang mit unseren Kunden eingesetzt haben. Wir hatten also direkt vom Start weg erstens uns selbst als besten Kunden und zweitens einige Interessenten aus dem Agenturgeschäft, die die Arbeit mit Planio schon kannten und es gern auch für ihre eigenen Projekte einsetzen wollten.

Was hat sich seitdem bewegt. verändert, getan?
Ehrlich gesagt, gar nicht so viel, was ich aber eher positiv bewerte. Wir sind ganz in Ruhe und ohne große Aufregung Stück für Stück organisch gewachsen. Natürlich haben wir das Produkt immer weiter verbessert, zum Beispiel steht jetzt zum Oktober das große Redesign an, das wir bereits mit unseren Kunden im Rahmen einer offenen Beta testen.

Im Frühjahr 2011 haben wir ein relativ großes Feature-Release hingelegt und Planio um Funktionen für Kundenmanagement (CRM) und Support (Helpdesk) erweitert. Auch hier ist das Produkt wegen eigenen Bedarfs entstanden und kommt bei den Kunden super an.

Wir haben in den ersten Monaten immer noch weiterhin Projekte als Agentur angenommen und mit dem Cashflow daraus Planio weiter gepusht. Seitetwa einem Jahr trägt es sich jetzt selbst und wir haben inzwischen gut 500 zahlende Kunden auf der ganzen Welt, die eine Viertelmillion Umsatz pro Jahr einbringen. Diese Zahl bezieht sich wohlgemerkt nur auf die SaaS-Umsätze und wächst gesund von Monat zu Monat.

Was waren Eure größten Herausforderungen seit Eurer Gründung?
Es gibt immer wieder Herausforderungen, aber sonst wär’s ja langweilig. ;-)

Erwähnenswert ist zum Beispiel ein Namens- und Markenproblem: Ein kanadisches Unternehmen ist quasi zum gleichen Zeitpunkt wie wir (Mitte 2009) auf die Idee gekommen, ein Projektmanagement-Tool zu bauen, das eben auch “Planio” heißt. So mussten wir auf die – ja eigentlich viel coolere – Domain plan.io ausweichen, statt planio.com nutzen zu können. Leider war es trotz vieler Vermittlungsversuche nicht möglich, eine einvernehmliche Lösung zu finden und letztendlich haben die Kanadier nach monatelangem Hin und Her aufgegeben und ihr Projekt umbenannt.

Die “planio.com” Domain haben sie leider immer noch und sind da irgendwie eingeschnappt, aber vielleicht gibt sich das mit der Zeit. Und unser “plan.io” ist inzwischen ohnehin etabliert.

Eine weitere Herausforderung und gleichzeitig Chance besteht in der Tatsache, dass Planio im Kern auf einer Open Source Software basiert, was – nebenbei bemerkt – im Rahmen der Gnu Public License (GPL) ganz legitim ist. Das heißt, dass theoretisch jeder zumindest die Basis unseres Produktes kopieren kann. Wir haben da allerdings keine große Angst, da einerseits sehr viel mehr zu einem funktionierenden SaaS-Business gehört als nur die Software und wir andererseits inzwischen ein Patent für unsere Technik dahinter angemeldet haben, so dass wir ein gutes Mittel gegen Copycats in der Hand halten.

Wir sehen in Open Source viel mehr die Vorteile: zum Beispiel die Tatsache, dass täglich nicht nur unsere Entwickler, sondern wahrscheinlich tausende Augenpaare auf der ganzen Welt in den Code schauen. So treten Bugs und Sicherheitslücken viel schneller zutage und wir haben so ein viel robusteres und sichereres Produkt, als würden wir alles still und heimlich in unserem Kämmerlein programmieren.

Ein weiterer Vorteil von OpenSource liegt im Bereich der Kundengewinnung: Die Möglichkeit, sich die Software selbst zu installieren und kostenlos zu nutzen, ist eine schöne Ergänzung zu unserer eigenen kostenlosen Probephase. Die Kunden lernen das Produkt gut kennen und viele kommen irgendwann an den Punkt, wo sie die Software nicht mehr alleine warten, updaten, sichern, etc. wollen. Wir sind dann der Partner, an den man sich vertrauensvoll wenden kann.

Und was waren die positivsten Überraschungen?
Womit wir anfangs gar nicht gerechnet hatten, ist die hohe Kundentreue und der daraus resultierende hohe Customer Lifetime Value, der für SaaS ja ein wesentlicher KPI ist.

Aber eigentlich ist es naheliegend: Wenn du einmal all deine Daten in einem Tool eingepflegt hast und deine ganze Projektorganisation tagtäglich damit machst, ist die Bereitschaft zu kündigen und etwas anderes zu benutzen, relativ gering. Vor allem natürlich, wenn du – so wie bei uns – ohnehin bereits ein großartiges Produkt und tollen Kundenservice hast :-)

Aber ganz im Ernst: Ein Großteil unserer Kunden bleibt viele Monate, viele sogar jahrelang bei uns. Und das, obwohl wir allen einen kostenlosen Komplettexport der Daten anbieten, falls sie doch einmal kündigen wollten. Das heißt, bei uns wird niemand dazu gezwungen, Kunde zu bleiben. Die meisten tun’s aber trotzdem.

Das ist im Vergleich zu früheren Startups, die ich gemacht habe – Magpie: Marktplatz für Twitter-Werbung und Spielerkabine und ein Portal und UGC-Plattform für Amateursportler -, ein großartiges Novum.

Bei werbefinanzierten oder transaktionsbasierten Geschäftsmodellen ist man immer hinterher, um die Umsätze aus dem Vormonat zu generieren. Bei SaaS-/Abomodellen hast du die Umsätze aus dem Vormonat in der Regel ohnehin. Fast alles, was du investierst, resultiert in neuem Geschäft “obendrauf”. Das gilt natürlich besonders, wenn die Churn Rate (Kundenabwanderungsrate) wie bei uns sehr klein ist.

Gab es eine Aktion, eine Entwicklung, die sich für Euch zum echten Kundenbringer entwickelte oder ging es einfach kontinuierlich und organisch Stück für Stück voran?
Ganz langweilig: Es ging und geht Stück für Stück voran. Wir sind bisher jeden einzelnen Monat seit dem Start kontinuierlich gewachsen und das geht auch konsequent so weiter. Der “Kundenbringer” ist, glaube ich, einfach die Tatsache, dass wir genau zuhören, was die Kunden wollen und einen ziemlich guten Riecher für ihre Bedürfnisse haben. Wir haben ein sehr rundes Produkt und das spricht sich rum.

Seid ihr Partnerschaften oder strategische Kooperationen eingegangen, die nützlich für Euch waren?
Ja, wir haben ein paar sinnvolle Kooperationen zu anderen Startup-Tools wie zum Beispiel im Bereich Invoicing (mit SalesKing) und Prototyping/Wireframing (mit Pidoco). Die Kunden schätzen das sehr und wir können uns auf unsere Kernaufgaben fokussieren. Wir haben vor, das auch in der Zukunft stetig auszubauen. Vor kurzem ist z.B. auch GitHub dazugekommen, das bei vielen Kunden ziemlich beliebt ist.

Welche Maßnahmen ergreift Ihr und habt Ihr ergriffen, damit Kunden a) Euch finden b) bei Euch buchen?
Wir setzen auf einen Mix aus den üblichen Kanälen: SEM, SEO, Social, Affiliate. Manches funktioniert für uns besser, manches schlechter.

Dass die Interessenten auch buchen, ist unsere Aufgabe während der kostenlosen Probephase, die bei SaaS ja üblich ist. Hier kann man aber im Prinzip auch nur durch ein gutes Produkt punkten. Während der Probephase bekommt der zukünftige Kunde ja einen kompletten Einblick in das, was ihn erwartet. Wenn man an dieser Stelle nicht überzeugen kann, bucht der Kunde nicht.

Musstet ihr Eurer Geschäftsmodell oder Eurer Angebot inzwischen mal ändern oder nachjustieren oder läuft alles noch genau so, wie von Anbeginn an geplant?
Das Geschäftsmodell ist bis hin zum Pricing immer noch das gleiche wie zu Beginn. Sicher kann man beim Pricing noch mehr Experimente machen, aber so läuft es bereits ziemlich gut.

Wie ich bei Kerndter.net las, arbeitet ihr mit Affiliate-Programmen. Wie findet ihr Affiliate-Partner und welche Affiliate-Services könnt ihr empfehlen?
Wir haben unser eigenes Inhouse Affiliate-Programm, weil es uns die größte Flexibilität bietet und die großen Affiliate-Portale nicht so stark an B2B interessiert sind. Wir sind damit dennoch ganz erfolgreich, aber es ist, wie gesagt, nur eine Säule von vielen.

Welche Tipps würdet ihr Startups auf den Weg geben wollen, damit es sie nach 2 Jahren auch noch gibt?
Ich find’s wichtig, ein gutes Produkt zu bieten, auf seine Kunden zu hören und Ideen früh und mutig auszuprobieren anstatt viel zu lange zu basteln und am Ende etwas zu launchen, was im schlimmsten Fall keiner haben will.

Sich dabei nicht vom Start weg auf hohe Summen an fremdem Geld stützen zu können, ist aus meiner Sicht dabei eher Segen als Fluch. Man konzentriert sich auf’s Wesentliche und macht auch nur die Dinge, die wirklich Umsätze bringen.

Ich find’s immer schade, wenn junge Projekte von den Medien und sich selbst unglaublich gehypt werden, man aber schon erkennen kann, dass eigentlich nur heiße Luft dahintersteckt. Da verbrennen dann Investoren ihr Geld dafür, dass ein paar Kids große Launch-Partys feiern, ohne wirklich etwas vorzeigen zu können. Ein bisschen mehr Bescheidenheit ist, glaube ich, manchmal gar nicht verkehrt.

Jan, vielen Dank für dieses Interview und weiterhin viel Erfolg für Euch!