“Ein komplett falsches Signal” – Johannes Reck zum geplanten Anti-Angel-Gesetz

“Ein komplett falsches Signal” – Johannes Reck (siehe links), Mitgründer und Geschäftsführer von GetYourGuide (www.getyourguide.com), zum Anti-Angel-Gesetz bzw. zum neuen Gesetz der Besteuerung von Holding Gesellschaften.

In den vergangenen Tagen tobte ein Sturm durch die deutsche Internet-Gründerszene. Der Stein des Anstoßes ist ein Gesetzesentwurf der Bundesregierung, nachdem wichtige Steuervergünstigungen auf Gewinne und Dividendenzahlungen für deutsche Holding-Gesellschaften fallen sollen. Viele Frühphaseninvestoren – auch Business Angels genannt – bündeln ihre Beteiligungen in solchen Holding-Gesellschaften und mussten bisher lediglich 5 % ihrer Gewinne mit einer Körperschafts- & Gewerbesteuer von 30 % versteuern, was einem effektiven Steuersatz von nur 1,5 % entspricht. Da diese Vergünstigung für EU Auslandsgesellschaften nur dann gilt, wenn sie eine Kapitalbeteiligung von mindestens 10 % an der deutschen Gesellschaft hält, bricht diese Regelung EU-Recht und muss angepasst werden. Anstatt nun auch ausländischen Gesellschaften eine Vergünstigung anzubieten hat sich die Bundesregierung dafür entschieden auch für deutsche Investoren die 10 %-Hürde einzuführen. Bei allen Beteiligungen, die unter dieser Hürde liegen, sollen Gewinne nun mit den vollen 30 % versteuert werden.

Zum besseren Verständnis der Thematik lohnt sich ein pragmatischer Blick in die Praxis: Das sogenannte „Business Angel Investment“ beträgt typischerweise 50.000 bis 500.000 Euro und wird an Unternehmer in einer Phase gegeben, in der zumeist ein Business Plan, ein Prototyp und manchmal eine rudimentäre Validierung des Geschäftsmodells vorliegt. In anderen Worten: Business Angel-Finanzierungen sind für die Kapitalgeber verglichen mit anderen Anlageformen hochriskant. Business Angel sind häufig selbst erfolgreiche Unternehmer, die einen Teil ihres Exit-Erlöses in Form einer Kapitalbeteiligung zurück ins Ökosystem fließen lassen und gleichzeitig durch ihre Erfahrung und ihr Netzwerk aktiv die Portfolio Unternehmen unterstützen.

Die Investments sollten aber nicht mit Wohltätigkeit verwechselt werden. Business Angels erhalten durch den frühen Einstieg häufig signifikante Anteile des Unternehmens und erzielen bei einem erfolgreichen Exit Renditen von mindestens 500 bis 1.000 %. Bis vor einigen Jahren waren solche Investments in Deutschland extrem rar, da den meisten Investoren das Risiko schlichtweg zu hoch war. Erst in den vergangenen Jahren veränderte sich langsam die Mentalität aufgrund der Erfolgsgeschichten von Facebook, Google & Co. – und auch die oft als konservativ belächelten Deutschen investieren mittlerweile aktiv in junge Wachstumsunternehmen.

Genau hier liegt das Kernproblem des neuen Gesetzes: Es sendet meiner Meinung nach ein komplett falsches Signal! Wir brauchen in den Zeiten der europäischen Schuldenkrise unbedingt ökonomisches Wachstum und das kann nur durch die Finanzierung von innovativen Technologien und der Förderung unternehmerischen Pioniergeistes geschehen. Business Angel sind hierfür prädestiniert und deshalb brauchen wir sie mehr denn je.

Eines der berühmtesten Business Angel-Investments der Geschichte des Internets wurde übrigens von einem Deutschen im Jahre 1998 im Silicon Valley gemacht. Als der SUN Microsystems Mitgründer Andreas von Bechtolsheim eine Präsentation der Stanford-Doktoranden Sergey Brin und Larry Page sah, die ein Konzept für eine neue Suchmaschine vorstellten, zückte er spontan das Scheckbuch und investierte 100.000 Dollar. Nicht einmal 10 Jahre später waren die gekauften Aktien über eine Milliarde Dollar wert. Es sollte unser Ziel sein, dass solche Erfolgsgeschichten auch in Deutschland eines Tages Realität werden.

Zur Person
Johannes Reck ist Mitgründer und Geschäftsführer von GetYourGuide, einer Buchungsplattform für touristische Zusatzdienstleistungen.

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