Klout und Co. – und plötzlich werden Social Web-Aktivitäten zum Selbstzweck?!
Seit Jahren versuchen Kommunikationsberater, ihrer Klientel zu vermitteln, dass Aktivitäten im Social Web kein Selbstzweck sind, sondern Instrumente, mit denen Unternehmensziele erreicht werden können. Wie ein Mantra wird – zu Recht – gepredigt, dass man sich nicht deshalb im Social Web tummeln sollte, weil das ‘cool’ oder ‘modern’ ist; dass ein punktuelles, willkürliches Bedienen der sozialen Dienste nichts bringt und der Reputation eher schadet als nützt. Jetzt könnte man dieses man dieses Credo auf einmal einschränken müssen: Denn neuerdings macht es unter Umständen eben doch Sinn zu sagen: ‘Strategie definieren? Ziele verfolgen? Wichtig. Aber: Hauptsache, man tummelt sich überhaupt im Social Web.’
Und das liegt daran, dass verschiedene Dienste zur Messung der Online-Reputation wie Klout (www.klout.com), PeerIndex (www.peerindex.com) und andere ähnliche Tools immer stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rücken. Eine gut kommentierte und sortierte Übersicht über die verschiedenen Dienste gibt es bei Read Write Hack: 17 Alternatives to Klout.
Das Standard-Tool zur Messung der Online-Reputation dürfte aber wohl tatsächlich Klout sein – inzwischen zeigt zum Beispiel HootSuite neben der Zahl der Follower, der Friends und der der Tweets auch den Klout-Score an, wenn man im Stream auf den Namen eines User klickt.
Und wer mag, kann sich den Klout-Score seiner Twitter-Kontakte gleich in der Timeline anzeigen lassen. Das Firefox-AddOn von Klout macht’s möglich.
Mein favorisiertes Twitter-Analyse-Tool SocialBro – wir haben es im Artikel Das mächtige SocialBro und über 200 weitere Twitter-Tools ausführlich vorgestellt – andererseits greift zur Messung des Influencer-Status’ eines Accounts auf PeerIndex zurück.
Und was genau messen diese Services?
Das bleibt im Groben deren Geheimnis. Es lassen sich zwar Rückschlüsse ziehen, wenn man die Veränderungen von Scores genau beobachtet, aber im Detail wird man die Algorithmen, nach denen Klout oder andere Dienste die Reputation einer Person oder einer Marke messen, genauso wenig wie die Googles herausfinden. Um Missbrauch oder Manipulation zu vermeiden, ist das auch gut so.
Einen sehr ausführlichen, gut verständlichen und gründlich analysierenden Artikel über die Tools zur Reputationsmessung im Social Web gibt es beim ‘Datenonkel’: Klout, Kred, PeerIndex & Co. – für was sind sie nützlich und was taugen sie?
Klar ist auf jeden Fall, dass bei den Messungen Quantität vor Qualität geht. Das heißt, dass Personen/Marken, die sich häufig im Social Web tummeln, einen höheren Score bekommen als die eher Zurückhaltenden – unabhängig von der Qualität ihrer Beiträge.
Nun wäre all das ja nicht weiter erwähnenswert und man könnte diese Dienste einfach ignorieren, ginge es bei den Scores nur um persönliche Eitelkeiten. Dem ist aber nicht so. In den USA schon jetzt, logischer Weise dann auch bald in Deutschland, wirkt sich der Klout Score immer stärker im tatsächlichen Leben aus. Verschiedene Quellen liefern Beispiele:
Netzwertig: “Hotels wie das The Palms Hotel in Las Vegas prüfen die Klout Score ihrer Gäste, um darüber zu entscheiden, ob sich ein kostenfreies Upgrade des Zimmers empfiehlt. … Je stärker Anwender … verdrahtet sind, desto größer ist ihr Potenzial als inoffizielle Markenbotschafter.“
TAZ: “Für Unternehmen ist Klout vermutlich gar kein so schlechtes Tool, um die eigene Reichweite zu messen und zu verbessern. Doch als Individuum? Nicht ganz ungefährlich. Laut Wired hat beispielsweise der Manager Sam Fiorella den Posten als Vizepräsident nicht bekommen, weil er auf die Frage nach seinem Klout-Score keine Antwort zu wusste.”
Computerbild: “Der Cloud-Computing-Dienste Salesforce will zukünftig auf Nutzer-Beschwerden auf Twitter abhängig vom Klout-Punktestand des Betroffenen reagieren – wer im Netz einflussreicher ist, erhält also schneller eine Antwort.”
Warum die verschiedenen Unternehmen so reagieren, ist klar: Sie gehen davon aus, dass eine Person ein umso einflussreicherer Markenbotschafter ist, je höher sein Score im Social Web ist. Und Influencer möchte man natürlich gern auf seiner Seite wissen.
Das Perfide an Klout und Co.: Sie messen die Scores auch von Personen, die keinen Account bei ihnen haben
Klout und Co. messen übrigens auch die Scores von Personen, die keinen Account bei ihnen haben, die die Dienste gar nicht kennen und die ergo auch nichts dafür tun, ihren Score zu erhöhen. Die Dienste werten dann nur einzelne Social Web-Services aus, auf die sie eben Zugriff zum Beispiel über die Freundeslisten von Mitgliedern haben.
So kann der Dienst nicht alle Aktivitäten im Netz auswerten – entsprechend haben Nichtmitglieder dann leicht einen verfälscht niedrigen Score. Eigentlich wäre also zu empfehlen, sich dort zu registrieren, um seinen Score realistisch abbilden zu lassen. Sich dagegen wehren, dass er gemessen wird und für andere sichtbar ist, kann man sich sowieso nicht.
Den eigenen Account bei Klout und Co. zu löschen, bringt überhaupt nichts – binnen kurzem hat das Tool einen wieder aufgenommen. Ausführlich setzt sich Don Dahlmann in seinem Artikel Klout-Falle mit diesem Aspekt auseinander.
Auf den Punkt bringt Basic Thinking die Funktion der Reputations-Mess-Dienste: Klout ist die Schufa fürs Web. Denn die fragt ja auch nicht nach, ob man einen Eintrag dort haben will oder nicht.
Ich stehe diesen Diensten – vor allem wegen ihrer noch vorhandenen Mess-Unschärfe bezüglich der Qualität von Beiträgen und dem höchstkritischen Umgang mit dem Datenschutz – extrem skeptisch gegenüber. Dennoch bin ich der Überzeugung, dass man sich mit diesen Diensten auseinandersetzen und sie nicht einfach ignorieren sollte. Ich bin sicher, sie werden recht schnell immer wichtiger werden.
Und während die Blogosphäre – bzw. der Teil davon, den ich regelmäßig lese – eigentlich nur am Schimpfen über Klout und Co. ist, gibt es auch Stimmen, die Vorteile entdecken, zum Beispiel Yves Moret im Blog Website Marketing: Klout Score als Faktor für die Suchmaschine.
Wie denken Sie über Klout und Social Web-Reputations-Mess-Tools an sich?