Vorsicht bei Verlusten und Finanzierungsrunden
Vorsicht bei Verlusten und Finanzierungsrunden – Gastbeitrag von Christian Musfeldt (links oben), Rechtsanwalt bei Osborne Clarke, und Harald Wieser, selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.
Im vorigen Beitrag haben wir uns mit der Verlustverrechnungsproblematik als solcher und der Stillen-Reserve-Klausel beschäftigt. In diesem Beitrag geht es um weitere Maßnahmen, um Verluste auch noch nach strukturändernden Kapitalmaßnahmen verrechnen zu können.
Zunächst noch einmal kurz zur Ursache, warum überhaupt Verluste entstehen. Im Gründungs- und im primären Aufbaustadium von Start-ups gibt es meist noch keine nennenswerten Einnahmen, die die Ausgaben decken könnten. Im Gegensatz zu kapitalintensiven Unternehmensgründungen, bei denen die Investitionen in Maschinen und Anlage getätigt werden, geht das Geld bei Start-ups im IT-Bereich hauptsächlich in Personalkosten. Investitionen in Maschinen werden aktiviert und belasten deshalb die Gewinn- und Verlustrechnung nicht; insoweit können also keine Verluste entstehen. Anders ist es aber bei Personalkosten. Diese stellen Aufwand in der Gewinn- und Verlustrechnung dar und führen deshalb ohne ausgleichende Einnahmen direkt zum Verlust.
Es gibt aber eine Ausnahme von dieser Bilanzierungsvorschrift. Sofern Personal- und andere Kosten einem selbst geschaffenen, immateriellen Vermögensgegenstand zugerechnet werden können, dürfen die Kosten genauso wie eine Maschine aktiviert werden (§ 248 Abs. 2 HGB). Dann ensteht insoweit kein Verlust mehr. Im Klartext heißt das: soweit die Ausgaben Entwicklungskosten für ein konkretes immaterielles Wirtschaftsgut darstellen – also z.B. eine Software – sind sie aktivierungsfähig.
Jetzt müssen wir aber leider gleich wieder zurückrudern – die Rückausnahme von der Ausnahme… Die Aktivierung von Entwicklungskosten kann zwar in der Handelsbilanz vorgenommen werden, steuerrechtlich aber besteht ein Aktivierungsverbot (§ 5 Abs. 2 EStG). Dort steht: „Für immaterielle Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist ein Aktivposten nur anzusetzen, wenn sie entgeltlich erworben wurden.“ Bei der eigenen Entwicklung der Software liegt nämlich kein entgeltlicher Erwerb bzw. Anschaffung (also Kauf von Dritten), sondern eine Herstellung vor. Da wir es aber mit einem steuerlichen und nicht handelsrechtlichen Problem zu tun haben, ist der Ausweg über eine Aktivierung nun erst einmal verschlossen.
Es gibt aber eine echte Alternative, die zur Problemlösung führt. Die steuerliche Rechtsnorm verbietet nur die Aktivierung von Herstellungskosten immaterieller Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht aber des Umlaufvermögens. Die Herstellungskosten müssen deshalb dem Umlaufvermögen zugeordnet werden können. Das lässt sich aber nicht willkürlich – also vom Willen gekürt bzw. einfach so – tun, sondern nur, wenn die Zuordnung rechtlich zulässig ist. Das ist nur dann der Fall, wenn die Entwicklung der Software eine Auftragsfertigung ist. Es liegt auf der Hand, dass bei den meisten Start-ups kein Käufer bereitsteht, der die Entwicklung der Software beauftragt hat. Allerdings lässt sich dieses Problem durch einen relativ einfachen Kniff lösen. Die Gründer errichten neben dem Startup, das die Softwareentwicklung betreibt, eine zweite Gesellschaft, die den Entwicklungsauftrag erteilt und später den Vertrieb übernehmen soll.
Möglicherweise will man die Vertriebsgesellschaft später wieder loswerden. Ist die Entwicklungsphase der Software etwas länger, kann viel passieren auf dem Weg zur Vermarktung. Entweder werden Start-up-GmbH und Auftraggeber-GmbH verschmolzen, oder dem Auftraggeber wird später der Vertriebsauftrag dergestalt wieder entzogen, dass das Finanzamt keine Probleme bekommt.
Dieses Manöver kann natürlich nur bei einer gewissen vorausschauenden Herangehensweise klappen. Wir meinen, dass man den Aufwand nur dann betreiben sollte, wenn die Entwicklung bis zur Marktreife eine gewisse Zeit benötigt und deshalb die steuerliche Verlustverrechnung von wirtschaftlicher Bedeutung ist.
Wenn man diesen Weg nicht gehen möchte, haben wir noch weitere Vorschläge zur Hand. Wie Sie im ersten Beitrag gelesen habe, beziehen sich die Einschränkungen des § 8c KStG neben den Vermögens- insbesondere auf die Verwaltungsrechte (change of control). Der Gesetzgeber hat mit der Findigkeit der Berater gerechnet und deshalb die Rechtsnorm so weit wie irgend möglich gefasst auf dass ihm ja kein Fischlein durchs Netz schlüpfen möge. Neben der direkten Bezugnahme auf das gezeichnete Kapital (also das Stammkapital der GmbH) sagt das Gesetz deshalb, dass auch „vergleichbare Sachverhalte“ erfasst werden sollen. Im Anwendungserlass vom 4.7.2008 ist die Finanzverwaltung nun ein ganz bißchen konkreter geworden. Demnach können vergleichbare Sachverhalte „insbesondere“ der Erwerb von Genussscheinen sein.
In der Fachliteratur sind nun Aufsätze erschienen, die sich mit diesem Thema befassen. Ohne hier weiter in die Tiefe zu gehen und sich z.B. über Verbriefungsproblematiken auszulassen, ist eines ziemlich klar: Es gibt Finanzierungsformen, die zwar nicht in direkten Anteilen am Stammkapital bestehen aber dennoch die gleichen wirtschaftlichen Auswirkungen haben und nicht in das Negativraster des § 8c KStG fallen. Es handelt sich bei diesen Finanzierungsformen um sogenanntes Mezzanine-Kapital. Also Finanzierungsformen, die nach ihren Merkmalen irgendwo zwischen Eigenkapital und Fremdkapital stehen. Es sind hybride Finanzierungsformen, die einerseits außerordentlich flexibel sind aber andererseits auch sehr gut standardisiert werden können.
Eine der vermutlich am besten geeigneten Formen ist die stille Beteiligung. Sie ist im Rahmen des Crowdfunding in der Start-up-Szene bekannt geworden. Dort ist sie stark standarisiert. Die Investoren können nicht über die Ausstattungsmerkmale verhandeln. Stille Beteiligungen sind leichter und kostengünstiger übertragbar als direkte Kapitalanteile, weil man dazu keinen Notar benötigt. Außerdem können sie besser auf die jeweiligen individuellen Bedürfnisse eines Start-ups angepasst werden. An dieser Stelle interessieren übrigens auch nur die atypisch stillen Beteiligungen, also die Beteiligungen, die den Investoren eine Beteiligung am Unternehmenswert ermöglichen. Aber auch andere mezzanine Instrumente, wie Genussrechte oder partiarische Darlehen können infrage kommen.
Hinsichtlich der Vermögensrechte unterscheiden sich die stillen Beteiligungen meist nur im Insolvenzfall. Anders als Stammeinlagen unterliegen sie nicht einem automatischen Rangrücktritt und gehören deshalb zur Masse. Bei den hier viel wichtigeren Verwaltungsrechten gibt es einen sehr deutlichen Unterschied: stille Beteiligungen haben normalerweise keine Stimmrechte. Sie sind nur mit Kontroll- und Einsichtsrechten ausgestattet (§ 233 HGB). Häufig werden allerdings doch Zustimmungserfordernisse für bestimmte Geschäftsführungsmaßnahmen vereinbart. Jedenfalls lassen sich Eingriffe in die Geschäftsführungsautonomie leichter zurückdrängen als bei einer direkten Kapitalbeteiligung. Zur Verbesserung des Bilanzbildes lassen sich die Einlagen der Stillen je nach Ausgestaltung entweder als Fremd- oder als Eigenkapital darstellen. Das kann im Einzelfall interessant sein.
Stille Beteiligungen sind vermutlich nicht die erste Wahl bei VC-Fonds, weil diese sich ohne Umwege direkt am Stammkapital beteiligen wollen. Für diese Investoren ist der Wegfall von Verlusten auch kein wirklich drängendes Problem. Kleinere Kapitalgeber, wie z.B. Angels, Mitarbeiterbeteiligungen oder eben Crowdfunding-Investoren können stille Beteiligungen eher akzeptieren. Auch wenn die Verwässerung damit natürlich nicht aus der Welt geschafft wird und VC-Fonds auf solche Beteiligungen ein Auge haben werden, sollten sie nicht übersehen werden und ggf. Stammkapital für die VC-Fonds auch aus steuerlichen Gründen aufgespart werden.
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Zu den Autoren
Christian Musfeldt ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke und dort als “Berlin Resident” für das Internet und Venture Capital Geschäft vor Ort verantwortlich. Harald Wieser ist selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er ist Spezialist für Unternehmenstransaktionen.