Wie man Verluste für ein Start-up richtig nutzt

Wie man Verluste für ein Start-up richtig nutzt – Gastbeitrag von Christian Musfeldt (links oben), Rechtsanwalt bei Osborne Clarke, und Harald Wieser, selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer.

Normalerweise sind unternehmerische Verluste ein echtes Problem, aber mit geplanten Verlusten kann jeder Unternehmer leben, sofern sie nur in der Anschubphase entstehen und spätere Gewinne absehbar sind. Jeder weiß, dass Gewinne versteuert werden müssen, aber dann muss auch klar sein, dass Verluste ebenfalls steuerlich berücksichtigen werden müssen. Dass dies leider nicht immer der Fall ist, zeigt dieser Beitrag.

Bei Kapitalgesellschaften – also z.B. GmbH oder UG – funktioniert das Besteuerungssystem so: Kapitalgesellschaften sind steuerlich von ihren Gesellschaftern getrennt zu sehen. Gewinne muss die Kapitalgesellschaft selbst versteuern und auch Verluste bleiben auf die Steuersphäre der Kapitalgesellschaft beschränkt. Sie können also nicht mit persönlichen Einkünften der Gesellschafter verrechnet werden. Verluste können mit Gewinnen der Kapitalgesellschaft verrechnet werden, so dass sie im Ergebnis nur den Restbetrag versteuern muss. Technisch werden Anlaufverluste bei Startups durch einen Steuerbescheid festgestellt und in den Folgejahren, in denen Gewinne erzielt werden, mit diesen verrechnet. Das ist in Ordnung so und macht in der Praxis meist keine Probleme.

Schwierig wird die Sache allerdings, wenn sich in der Verlustphase Änderungen im Kreis der Gesellschafter ergeben.

Warum das so ist, soll folgendes Beispiel verdeutlichen: Stellen Sie sich vor, ein Bekannter ist Gesellschafter einer GmbH, deren Geschäftsbetrieb nie richtig zum Laufen kam und die infolge dessen ihr Stammkapital und hingegebene Gesellschafterdarlehen verbraucht hat. Alle finanziellen Mittel für sind für laufende Kosten verwendet worden und die GmbH hat nun steuerliche Verluste in dieser Höhe. Diese kann sie aber steuerlich nicht verrechnen, weil die nachfolgenden Gewinne fehlen. Nehmen wir an, die steuerlichen Verluste würden konkret 100.000 Euro betragen. Das Steuerminderungspotenzial schlummert in der GmbH und wartet darauf, gehoben zu werden. Sie wollen ihr eigenes Business starten und kaufen die vermögenslose GmbH von Ihrem Bekannten für 1 Euro. Stellen Sie sich weiter vor, dass Ihr eigenes Geschäft relativ schnell in die Gewinnzone kommt und bereits im ersten Jahr einen Gewinn von 100.000 Euro abwirft.

Wenn Ihre Steuerwelt in Ordnung wäre, könnten Sie nun ihre Gewinne mit den übernommenen Verlusten verrechnen und müssten keine Steuern zahlen. Bei einer Ertragsteuerbelastung der GmbH von rund 30% wären das also 30.000 Euro, die Sie nicht an das Finanzamt zahlen müssten.

Das ist allerdings nicht die Steuerwelt, die der Fiskus präferiert.

Der Gesetzgeber hat die Finanzämter mit der nötigen Rückendeckung versorgt, Ihre Rechnung auszuhebeln. Die Rechtsnorm des § 8c KStG (schädlicher Beteiligungserwerb) führt dazu, dass bei einer substanziellen Änderung des Gesellschafterbestands die Verluste wegfallen und auch nicht mehr reaktiviert werden können. Ändert sich nämlich der Gesellschafterbestand innerhalb von 5 Jahren um mehr als 25%, gehen die Verluste anteilig unter, bei mehr als 50% verfallen sie vollständig. Der Fiskus möchte Steuern einnehmen – was er nur bei Gewinne machen kann – und möchte deshalb keinen Handel mit wirtschaftlich toten Kapitalgesellschaften sehen, bei denen es faktisch nur um den Verkauf von Steuervorteilen gehen würde.

Die Gesetzesnorm erfasst alle Kapitalgesellschaften, also auch alle Startups, die zumeist als GmbH oder UG errichtet worden sind. Die Änderung des Gesellschafterbestands betrifft jegliche Verschiebung von Vermögens- als auch Verwaltungsrechte. Verwaltungsrechte sind insbesondere Stimmrecht (change of control). Damit sind auch alle Kapitalerhöhungen erfasst, bei denen Dritte – also z.B. Business-Angels oder VC-Gesellschaft – neue Anteile übernehmen. Hier ein weiteres Beispiel, das das Grundprinzip verdeutlichen soll:

Neben den Gründungsgesellschaftern mit 80% ist ein Business-Angel mit 20% an der GmbH beteiligt. In der aktuellen Finanzierungsrunde soll eine VC-Gesellschaft neue Gesellschafterin werden. Dazu soll das Kapital erhöht werden und danach sollen der Angel und die VC-Gesellschaft zusammen 40% der Anteile halten. Da es sich um einen schädlichen Beteiligungserwerb handelt, gehen steuerlich 40% der Verlustvorträge verloren.

Zur Behebung dieses gravierenden Problems gibt es zwei Lösungsansätze. Zum einen kann man versuchen, möglichst keine oder nur geringe Verluste entstehen zu lassen. Zum anderen bietet das Gesetz selbst einen Ausweg für die Fälle an, bei denen die GmbH nicht tot ist, sondern über ausreichendes Vermögen verfügt, um die Verluste zu kompensieren.

Dabei muss das Vermögen nicht bilanziert sein, es kann auch als stille Reserven vorhanden sein. Bei Startups werden allerdings meist keine stillen Reserven vorhanden sein. Für einen echten Geschäftswert ist es häufig einfach noch zu früh. Die Investoren legen deshalb Geld auf den Tisch, weil sie das Vorhaben als aussichtsreich betrachten und sie die notwendigen Kosten für die Entwicklung vorschießen müssen.

Das Gesetz unterscheidet zwei Fälle: ist das Eigenkapital noch nicht aufgezehrt – also z.B. Stammkapital 25.000 Euro mit Verlustvorträgen von 18.000 Euro -, wird nach § 8c Abs. 1 Sätze 6 und 7 KStG gerechnet, sonst nach Satz 8. Ob das Eigenkapital aufgezehrt ist, erkennt man unschwer in der Bilanz. Es ist aufgezehrt, wenn auf Aktivseite der Bilanz ein Ausweis unter „Nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag“ existiert.

Im ersten Fall legt der Gesetzgeber fest, dass stille Reserven unmittelbar aus den Vereinbarungen über die Kapitalmaßnahme abgeleitet werden dürfen. Konkret also beispielsweise aus dem Vertrag übr den Eintritt eines neuen Gesellschafters im Wege einer Kapitalerhöhung. Im zweiten Fall muss regelmäßig eine Unternehmensbewertung durchgeführt werden, um eventuelle stille Reserven zu bestimmen.

Sehen wir uns den ersten Fall an einem konkreten Beispiel an:

Die Ausgangslage: Das Stammkapital von 100.000 Euro ist durch Verluste von 90.000 Euro fast aufgezehrt. Das verbleibende Eigenkapital beträgt 10.000 Euro. Durch eine Kapitalerhöhung soll frisches Kapital von 300.000 Euro aufgebracht werden, die die laufenden Kosten bis zur nächsten Finanzierungsrunde decken sollen. Die Kapitalerhöhung soll durch eine VC-Gesellschaft übernommen werden. Vereinbart ist, dass der VC ein Anteil am Stammkapital von 40% erhalten soll.

Das Stammkapital wird auf 166.667 Euro erhöht, damit der VC seine Anteile von 40% erhalten kann, ohne dass sich bei den Anteilen der Altgesellschafter etwas ändert (166.677 x 40% = 66.677). Das reicht aber noch nicht aus. Der VC muss noch weitere 233.333 Euro einzahlen, um seiner Einlageverpflichtung vollständig nachzukommen.

Die Lösung: Steuerlich wären wegen der schädlichen Übertragung zunächst 40% von 90.000 Euro, das sind 36.000 Euro verloren. Aufgrund des Gesetzesbefehls in § 8c Abs. 1 Satz 7 KStG darf der Vertrag mit dem VC für die Ermittlung der stillen Reserven zugrunde gelegt werden. Es ist deshalb unerheblich, dass die Einlage eigentlich für zukünftige Produktentwicklungskosten und nicht für einen Geschäftswert geleistet wird.
Stille Reserven in dem Anteil von 40% sind in Höhe von 296.000 Euro enthalten (300.000 Euro – 4.000 Euro anteiliges Eigenkapital). Weil damit ausreichend hohe stille Reserven vorhanden sind, die anteiligen Verluste von 36.000 Euro zu decken, bleiben die Verluste in voller Höhe abziehbar.

Ein Urteil des Bundesfinanzhofs zu diesem Thema liegt zwar noch nicht vor und wir wollen auch nicht unterschlagen, dass es auch andere Meinungen gibt.

Aber Herr Gosch, Vorsitzender Richter des zuständigen Senats, ist für seine wortgetreue Auslegung der Steuergesetze bekannt, so dass für eine Bestätigung dieser Vorgehensweise sehr gute Chancen bestehen.

Im zweiten Fall, wenn also das gesamte Eigenkapital durch Verluste aufgezehrt worden ist, darf leider nicht so einfach gerechnet werden. Tatsächlich muss ein Gutachten zur Bestimmung der stillen Reserven erstellt werden. Das ist nicht billig und es führt auch häufig nicht zu dem gewünschten Ergebnis, also jedenfalls nicht dazu, dass die Verluste abziehbar bleiben.

Welche Möglichkeiten es in der Praxis gibt, aus der Situation das Besten zu machen, und die Verluste zu retten, stellen wir in einem weiteren Gastbeitrag dar. Als Zwischenergebnis halten wir jedoch fest: die Verluste sollten nicht so hoch sein, dass die Kapitalgesellschaft einen „Nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag“ ausweisen muss.

Zu den Autoren
Christian Musfeldt ist Rechtsanwalt bei Osborne Clarke und dort als “Berlin Resident” für das Internet und Venture Capital Geschäft vor Ort verantwortlich. Harald Wieser ist selbständiger Steuerberater und Wirtschaftsprüfer. Er ist Spezialist für Unternehmenstransaktionen.