Unternehmensfinanzierung: Later Stage Growth Equity – Gastbeitrag von Julian Riedlbauer
Im ersten Teil des Artikel zum Thema Unternehmensfinanzierung lag der Fokus auf der Finanzierung in frühen Unternehmensphasen – siehe Unternehmensfinanzierung – Durchblick im Dschungel der Möglichkeiten. In diesem zweiten Teil schreibe ich über den Bereich Wachstumsfinanzierung in späteren Unternehmensphasen.
Later Stage Growth Equity
Ihr Unternehmen ist am Markt etabliert, es ist erfolgreich, vielleicht schon profitabel und benötigt zur weiteren Beschleunigung des Wachstums und zur Internationalisierung Kapital? Oder Sie überlegen sich, dass Sie nicht alle Finanzmittel in der Firma gebunden haben wollen, sondern Geld in den privaten Einflussbereich bringen und unabhängig von Ihrer Firma investieren möchten? Dann sollten Sie sich mit der Beteiligung eines Growth Equity Investors an Ihrer Firma beschäftigten. Die Grenzen sind fließend. Klassische Venture Capital Investoren, Corporate Venture Capital Investoren oder auch kleinere Private Equity Investoren sollten in dieser Phase berücksichtigt werden. Häufig sind auch Wettbewerber oder Kooperationspartner interessiert, sich als Strategen an Ihrer Firma zu beteiligen.
Zielformulierung – Was möchten Sie wirklich?
Zunächst empfehle ich, dass Sie Ihre Ziele klar formulieren. Was wollen Sie durch die Aufnahme eines Investors tatsächlich erreichen? Suchen Sie einfach „nur“ Geld (dumb money) und wollen Sie Ihr Unternehmen weiterhin eigenständig und ohne Abstimmungsbedarf ausbauen? Oder schätzen Sie einen Coach/Sparring-Partner und die Erfahrung eines Investors, der schon sehr viele Firmen auf ihrem Wachstumskurs begleitet hat? Möchten Sie primär durch eine Kapitalerhöhung Wachstumskapital in Ihre Firma bekommen? Oder reicht der Cash-Flow Ihres Unternehmens aus, um die Firma auszubauen, und beabsichtigen Sie daher einen Mix aus Kapitalerhöhung und Anteilsverkauf, oder möchten Sie sogar primär nur Anteile verkaufen?
Der Prozess – die Vorbereitungsphase
Sobald Sie wissen, was Sie wirklich suchen, kann es los gehen. Ein prägnantes Unterlagenset bestehend aus Kurzprofil zur Ansprache, Factbook und eine Managementpräsentation für die persönlichen Gespräche mit potenziellen Investoren sind wichtig. Wie so oft im Leben kommt es nicht nur auf den Inhalt, sondern auch auf die Verpackung an. Die potenziellen Investoren müssen verstehen, wie großartig und einzigartig Ihre Firma ist, was daraus noch entstehen kann (strategic outlook) und warum gerade in Ihr Unternehmen investiert werden sollte. Namhafte internationale VC- und PE-Investoren erhalten nicht selten 1.000-2.000 Anfragen pro Jahr, investieren aber meist nur in 5-20 Unternehmen pro Jahr. Sie müssen sich also deutlich von der Masse absetzen. Und die Möglichkeiten, welche Investoren Sie in der Phase ansprechen, sind fast unbegrenzt. Es kommen natürlich nicht nur deutsche Investoren, sondern auch Investoren besonders aus der Schweiz, Frankreich, England und den USA in Frage.
Die Ansprache- und Verhandlungsphase
Wir empfehlen strukturierte Prozesse, bei denen möglichst zeitgleich eine – auf den Einzelfall abgestimmte – Liste potenzieller Investoren angesprochen wird. Darauf folgen Management Präsentationen im Rahmen von persönlichen Treffen oder Videokonferenzen mit Investoren. Sobald sich die Investoren einen persönlichen Eindruck vom Team, der Firma und dem Geschäftsmodell gemacht haben und ihre Fragen stellen konnten, werden sie zur Abgabe eines indikativen Angebotes aufgefordert. Das ist dann sozusagen die „Stunde der Wahrheit“. Es sollte das Ziel sein, Angebote von mehreren Investoren möglichst zeitgleich zu erhalten. Auch bei ausgezeichneten Firmen habe ich in der Vergangenheit häufig erlebt, dass die Bewertung sogar in recht späten Unternehmensphasen sehr subjektiv ist. Nicht selten lag die Bewertungsdifferenz vom niedrigsten Angebot zum höchsten Angebot beim Faktor 2 bis 2,5! Natürlich ist das höchste Angebot nicht zwangsläufig das Beste. Es kommt auch auf die Rahmenbedingungen an (Liquidation Preference, Mitspracherechte etc.) und den persönlichen Eindruck.
Die Due Diligence- und Investment Agreement-Phase
Sobald Sie mit einem oder mehreren Investoren handelseinig geworden sind, beginnt die Due Diligence (Unterlagenprüfung) und die Phase der Verhandlung des Investment Agreements bzw. Share Purchase Agreements (also Vertrag über die Kapitalerhöhung bzw. Anteilskauf). Eine sehr gute Anwaltskanzlei, die schon mehrere Transaktionen mit Finanzinvestoren begleitet hat, ist wichtig. Sobald alles ausgehandelt worden ist, steht einem erfolgreichen Notartermin/Signing und einem Abschluss der Transaktion, dem sogenannten „Closing“, nichts mehr im Wege.
Die Rolle von M&A Beratern
Eine M&A Beratungsgesellschaft, die viel Erfahrung mit Finanzierungsprozessen in der jeweiligen Größenordnung und Phase begleitet hat, kann einen deutlichen Mehrwert liefern. Sie übernimmt nicht nur nach Ihrem Input die Erstellung der Unterlagen, sondern auch die gesamte Ansprache und Koordinierung der Investoren. Der Berater sollte außerdem einschätzen können, welche Investoren für das spezifische Vorhaben besonders gut passen und damit angesprochen werden sollten. Die Ansprache ist dadurch zielgerichteter und das Management des Unternehmens spart sich Zeit, schließlich muss auch parallel das operative Geschäft erfolgreich betrieben werden.
Potenzielle Finanzinvestoren akzeptieren, dass die Rolle eines Beraters klar auf die „Optimierung des Deals“ für seinen Mandanten ausgerichtet ist. Somit ist akzeptiert, dass der Berater für seine Mandanten hart verhandelt und als „bad guy“ auftritt. Er kann somit einen wesentlichen Beitrag liefern, den vom Management bevorzugten Investor zu einem bestmöglichen Angebot zu treiben.
Sollten Sie ohne Berater arbeiten, so ist es trotzdem ratsam, als Unternehmer bzw. Management-Team ein sehr gutes positives Gesprächsklima mit dem zukünftigen Partner, also dem Investor, zu behalten. Sie werden mit ihm mehrere Jahre zusammenarbeiten und eine echte Vertrauensbasis schaffen müssen.
Zur Person
Julian Riedlbauer baut seit Anfang 2012 seine eigene M&A Beratungsgesellschaft Pure Equity Advisors – zusammen mit der ehemaligen Internet-Unternehmerin Ann Marisa Freese – auf. Davor war Riedlbauer von 2008 bis Ende 2011 Geschäftsführer der M&A-Boutique Corporate Finance Partners. Seine Karriere begann er vor fast 20 Jahren mit der Gründung seiner Firma Connect Service Riedlbauer, einem Modem-, TK- und Netzwerk-Distributor und technischen Callcenter Outsourcing-Dienstleister. Als sich die Firma zu einem 130-Personen-Betrieb entwickelt hatte, verkaufte Riedlbauer sein Unternehmen teilweise an NT plus und eine Tochtergesellschaft der Thyssen Informatik Gruppe. Danach hielt Riedlbauer mehrere Geschäftsführer- und Vorstands-Posten in führenden Internet-, IT- und TK-Unternehmen inne.