Versteckte Fallen bei Investorenverträgen – Gastbeitrag von Andreas Lober und Clemens Just

Start-ups, die eine erste erfolgreiche Aufbauphase hinter sich haben, müssen die richtigen Weichen für Expansion stellen. Da es typischerweise noch kein bedeutsames Sicherungsgut gibt, scheiden Bankenfinanzierungen meist aus. Es bietet sich daher an, Kapital über Investoren (z.B. Business Angels oder Venture Capital Investoren) einzusammeln. Solche Investoren haben in der Regel sehr konkrete Vorstellungen, wie sie ihr Investment vertraglich schützen wollen – immerhin geben sie im besten Fall eine Menge Geld. Sind also die entsprechenden Investorenverträge nur standardisierte Dokumente, die ohne weiteres unterschrieben werden können? Mitnichten.

Die meisten Investoren haben zwar einen eigenen Standardvertrag in der Schublade liegen, aber dieser kann von Investor zu Investor sehr unterschiedlich sein. Viele Investoren sind auch einverstanden, wenn das Start-up oder dessen Gesellschafter den ersten Vertragsentwurf liefert, was für dieses oft die sinnvollere Variante ist. Nachfolgend sollen beispielhaft versteckte Fallen bei Investorenverträgen aufgezeigt werden.

1. Risikoausgleich im Garantiekatalog
Vor allem im Garantiekatalog des Beteiligungsvertrags treffen die Gründungsgesellschafter mit dem Investor Bestimmungen, für welche Risiken des Geschäfts eingestanden werden soll. Während Investoren bei einem Weiterverkauf selbst oft nur bereit sind, Garantien zu den gesellschaftsrechtlichen Verhältnissen und dem Fehlen eines Insolvenzantragsgrunds abzugeben, werden von Gründungsgesellschaftern darüber hinaus in der Regel auch deutliche Aussagen zum operativen Geschäft verlangt. Die einzelnen Garantieaussagen lassen sich aber durchaus mit dem Investor verhandeln.

In so manchem Vertragsmuster findet sich zum Beispiel zunächst die Garantie, dass die Gesellschaft „nicht gegen Datenschutzrecht“ verstößt. Nur: Wer könnte das schon mit gutem Gewissen in Bezug auf seine Gesellschaft behaupten?

Häufig besteht auch die Möglichkeit, das Risiko der Garantie durch das Abstellen auf Wissen der Gründungsgesellschafter abzudämpfen (Positives Wissen, Wissenmüssen, „knowledge qualifyer“). Geschickter kann es auch sein, weniger die Aufmerksamkeit auf die Garantieaussage als solche zu richten, sondern auf die daran anknüpfende Rechtsfolge. Ein nuanciertes System von Haftungsbeschränkungen, betragsmäßigen Untergrenzen, Gesamtfreibeträgen („caps“, „floors“, „baskets“), zusammen mit Haftungsausschlüssen, z.B. durch Mitwirkungspflichten, und Verjährungsregelungen, kann nicht nur eine Verhandlungsblockade aufbrechen. Im Ergebnis kann das Risiko aus der Garantie auch gut eingefangen, ggf. sogar ganz ausgehebelt werden.

2. Mitverkaufsrechte, Mitverkaufspflichten
Mitverkaufsrechte („tag along rights“) geben die Möglichkeit, einen Minderheitsanteil teilweise oder vollständig zu den gleichen Bedingungen wie die Mehrheitsgesellschafter zu verkaufen. Mitverkaufspflichten („drag along rights“) ermöglichen den Mitverkauf von Beteiligungen, damit der Käufer die gesamte Beteiligung oder jedenfalls eine kontrollierende Mehrheit erwerben kann. Derlei Regelungen finden sich in nahezu allen (professionell erstellten) Beteilungsverträgen. In der vertraglichen Praxis gibt es aber einige Stellschrauben, die die Verpflichtungen aus diesen Klauseln sehr zähmen können: Relevante Schwellen für den Verkauf, Informations- und Beteiligungspflichten beim Verkauf, Wertbestimmungen für die Beteiligung u.a. sollten unbedingt genauestens geprüft werden.

3. Mitbestimmungsrechte
Der Investor wird sich für wichtige operative Maßnahmen Mitbestimmungsrechte geben lassen. Rechtstechnisch lässt sich dies im Gesellschaftsvertrag, dem Beteiligungsvertrag oder einer Gesellschaftervereinbarung umsetzen. Zu bedenken ist, dass Regelungen im Gesellschaftsvertrag öffentlich einsehbar sind. Auch kann die Art der Mitbestimmung an ganz unterschiedlichen, operativen Maßnahmen ansetzen, und rechtlich von einfachen Benachrichtigen bis hin zu Vetorechten oder Mehrheitsentscheidungen reichen. Auch hier lohnt sich eine genaue Prüfung, um nicht später im Tagesgeschäft Handschellen zu spüren. Wer beispielsweise als Internetunternehmer keine Lizenzverträge schließen darf, wird sehr bald spüren, wie kurz seine Leine ist.

4. Erlösvorzug
Investoren werden sich insbesondere für den Fall der Liquidation einen Erlösvorzug sichern wollen („liquidation preference“). Beachtung sollte den weiteren Voraussetzungen geschenkt werden: bei welchen Veräußerungen, Einbringungen oder Strukturmaßnahmen soll dies noch gelten? Entscheidend kann auch sein, ob sämtliche Gesellschafter an einem dem Erlösvorzug übersteigenden Mehrerlös im Verhältnis der Beteiligung partizipieren, also wiederum einschließlich des Investors ohne Anrechnung des Vorabs („double dipping“). Dies kann zu einer überproportionalen Bevorzugung des Investors führen. Denkbar sind auch Regelungen, wonach die Liquidationspräferenz bei Überschreiten einer bestimmten Erlösschwelle entfällt oder dass vor einem double dipping zunächst die Gründer in bestimmter Höhe zum Zuge kommen. Je nach erzieltem Erlös kann die Liquidationspräferenz durchaus dazu führen, dass die Gründungsgesellschafter an einem Exit-Erlös nicht mehr partizipieren.

5. Wettbewerbsverbot
Das Know-how der Gründer möchte der Investor natürlich nicht in einem Konkurrenzunternehmen sehen. Dieses verständliche Interesse kann sich aber vertraglich sehr unterschiedlich niederschlagen. Je nach zeitlicher und inhaltlicher Beschränkung des Tätigkeitsfeldes kann dies für die Gründungsgesellschafter schmerzhaft sein oder nicht. Eine Vertragsstrafe und deren konkrete Ausgestaltung sollte auch wohl überlegt werden. Das denkbar schlimmste Ergebnis für einen Gründer ist sicher, in einer Gesellschaft gefangen zu sein, die sich nicht wie geplant entwickelt, kein Geld mehr zu bekommen weil Meilensteine nicht erreicht wurden und wegen des Wettbewerbsverbots auch sonst keine vernünftige Betätigungsmöglichkeit mehr zu haben.

Die aufgeführten Beispiele verdeutlichen, dass sich stets eine kritische Durchsicht der Investorenverträge lohnt. Die wirtschaftlichen Interessenjustierungen sind häufig sehr versteckt vertraglich umgesetzt und nicht immer verbirgt sich unter der Überschrift auch tatsächlich das, was man dort erwarten würde. Ganz besonders hellhörig sollte man sein bei Formulierungen, dass eine Klausel „absoluter Marktstandard“ sei. Das kann stimmen – oder auch nur besagen, dass die Klausel sehr nachteilig ist und der Vertragspartner nicht weiß, wie er sie inhaltlich rechtfertigen kann. Ohnehin gilt: Es gibt fast nichts, was nicht verhandelbar wäre, wenn man gute Gründe dafür hat – aber wer als Jungunternehmer alles in Frage stellt, macht auch keine gute Figur. Daher sind solche Vertragsverhandlungen auch immer eine Sache des Fingerspitzengefühls.

Nicht vergessen sollte man auch eins: Wenn die Verträge geschlossen werden, ist alles eitel Sonnenschein. Gelesen werden sie oft erst dann wieder, wenn die nächste Finanzierungsrunde oder ein Exit ansteht – oder wenn die Zusammenarbeit nicht so läuft wie erhofft. Gerade in letzterem Fall werden die Verträge dann darauf durchsucht, wie man sie nutzen kann, um die Daumenschrauben anzuziehen.

Zu den Personen
Dr. Andreas Lober, maître en droit, Rechtsanwalt, leitet als Partner den Bereich IP / IT bei Schulte Riesenkampff (www.schulte-lawyers.com). Dr. Clemens Just, LLM, Rechtsanwalt, Solicitor (England & Wales) ist Partner im Bereich Gesellschaftsrecht / M&A bei Schulte Riesenkampff. Am 17. November lädt Schulte Riesenkampff zum Games Law Day in Frankfurt am Main ein. Folgenden Spezialisten für Games Law werden aktuelle rechtliche Entwicklungen in der Spieleindustrie diskutieren: Alex Chapman (Sheridans, Großbritannien), Henri Leben (Colbert Paris Law Firm, Frankreich), Olivier Oosterbaan (Create Law, Niederlande). Am 18. November werden diesselben Referenten an einer Paneldiskussion zu Fragen des geistigen Eigentums bei Spielegesellschaften anlässlich des browsergames forum 2011 in Offenbach am Main sprechen.

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