Shop-Internationalisierung: Der Blick über den Tellerrand – Gastbeitrag von Marcus W. Mosen
Immer mehr Konsumenten entdecken den Einkauf im Netz für sich, der Online-Handel verzeichnet kontinuierlich Wachstumsraten. Im vergangenen Jahr haben 59 Prozent der Deutschen ihr Geld in virtuellen Kaufhäusern gelassen (Studie der Europäischen Kommission*). Damit steht Deutschland im Europäischen Vergleich auf Rang sechs. Dementsprechend eröffnen täglich neue Shops im Netz. Wer schlau ist denkt dabei auch gleich an das internationale Geschäft. Noch steckt die Entwicklung in ihren Anfängen, das Marktpotenzial ist riesig. Für den Geschäftserfolg im Ausland benötigen Start-ups und kleinere Online-Händler unbedingt eine umfassende Cross-Border-Strategie.
Im Auslandsgeschäft schlummert Potenzial
Die Chance für die Erschließung neuer Märkte ist derzeit groß: 2010 haben neun Prozent der Bürger in Shops aus anderen EU-Ländern eingekauft, fünf Prozent in Shops aus Nicht-EU-Ländern. Dass der grenzüberschreitende Internethandel auch im großen Stil florieren kann, demonstrieren kleinere Staaten mit sprachlicher oder geographischer Verknüpfung zu einem größeren Land. So haben etwa letztes Jahr 29 Prozent der Österreicher via Internet bei Online-Shops im EU-Ausland Waren bezogen – und nur 24 Prozent im eigenen Land. In Luxemburg fällt der Vergleich mit dem Verhältnis 53 Prozent (EU-Ausland) zu 25 Prozent (Inland) noch deutlicher aus. Für die Konsumenten bietet der grenzüberschreitende Handel viele Vorteile: Sie können noch mehr Preise vergleichen und haben eine größere Auswahl – gerade wenn es um sehr spezielle Güter geht, die sie vielleicht in ihrem Heimatland gar nicht bekommen können. Darin steckt eine große Chance für kleinere Shopbetreiber und Startups, die häufig mit einem exklusiven Sortiment aufwarten.
Erfolg nur mit umfassendem Konzept
Ohne ausgereifte Cross-Border-Strategie sollte ein Online-Händler indes den Schritt über die Landesgrenzen hinaus besser nicht wagen – wenn er sich nicht in die Reihe hoffnungsvoll gestarteter Konzepte, die letztlich aber scheiterten, einreihen möchte. Nach der Festlegung der Zielländer und des jeweiligen Produktportfolios muss eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen getroffen werden. Dazu gehört, den Konsumenten in seiner Sprache anzusprechen und kulturelle Eigenheiten zu berücksichtigen, statt – wie häufig zu beobachten – das deutsche Angebot 1:1 auf das Ausland zu übertragen. Daneben müssen Webshops reibungslos funktionierende logistische Abläufe etablieren, um die zuverlässige und zeitnahe Zustellung beim Kunden sicherzustellen. Dazu gesellt sich die intensive Auseinandersetzung mit den Verbraucherrechten im Zielland.
Eine zentrale Rolle im Online-Handel spielt stets auch das Angebot möglichst vieler Bezahlmethoden. Im grenzüberschreitenden Warenverkehr bietet es sich zwar an, zunächst einmal auf international anerkannte Kreditkarten zu setzen. Langfristig reicht das aber nicht aus, um sich im Zielland zu etablieren. Unabdingbare Voraussetzung für den geschäftlichen Erfolg ist die genaue Analyse des Zahlungsverhaltens der Verbraucher in der betreffenden Region und die Beantwortung der Frage, welche Zahlverfahren dort am häufigsten genutzt werden. Anschließend sollten genau diese Methoden in den Webshop integriert werden. Wer diesen Aspekt unterschätzt, muss mit Kaufabbrüchen und Kundenverlust rechnen. Was das Bezahlen angeht, ist Europa abgesehen von der Währung noch weit davon entfernt, eine Einheit zu sein – im Gegenteil: heterogene Landschaften sind absolut typisch. Beispiele sind die länderspezifischen Debitverfahren wie etwa iDeal in den Niederlanden, Carte Bleue in Frankreich, EPS in Österreich und giropay in Deutschland.
Im Übrigen sollte auch die Zahlungsseite in der Sprache des Ziellandes angeboten werden. In der Praxis beschränken sich Shopbetreiber diesbezüglich noch allzu oft auf die englische Sprache und drohen damit, den Kunden – quasi auf dem letzten Meter des Einkaufsprozesses – zu verlieren. Schließlich spielt das Thema Sicherheit eine gewichtige Rolle: Zahlungssysteme sollten heute mit den neuesten, skalierbaren Sicherheits- und Betrugspräventionstools ausgestattet sein, die Käufer-Authentifizierung, Sperrregeln und Sperrfilter, Risiko-Scoring sowie anpassbare Kriterien und Einstellungen miteinander kombinieren.
EU-Bestrebungen
Zusätzliche Brisanz erfährt das Thema Internationalisierung durch die in Planung befindliche EU-Verbrauchervertragsrichtlinie, nach der Webhändler dazu verpflichtet werden sollen, ihre Waren in allen 27 Mitgliedsstaaten anzubieten. Insbesondere bei Start-ups und kleineren Shops stoßen die Bestrebungen auf Kritik, weil sie befürchten, die damit verbundenen Herausforderungen nicht stemmen zu können und am Markt gegenüber den Großen der Zunft keine Chance zu haben. Das letzte Wort ist in dieser Hinsicht noch nicht gesprochen und es bleibt abzuwarten, wie scharf die Regelungen letzten Endes im Gesetz manifestiert werden. Zumindest wird es mit der Umsetzung noch einige Zeit dauern, so dass genügend Raum für die entsprechende Vorbereitung bleibt.
* Quelle: Europäische Kommission, “Consumer Conditions Scoreboard”, 5. Ausgabe, März 2011
Zum Autor:Marcus W. Mosen ist Chief Commercial Officer beim Payment Service Provider Ogone (www.ogone.de) Zuvor war er als Geschäftsführer bei Easycash und im Management von First Data International sowie bei der GZS (Gesellschaft für Zahlungssysteme mbH) tätig.