“Start-ups profitieren von Amazons Bekanntheitsgrad” – Marcus W. Mosen von Ogone im Interview
Seit Ende April 2011 haben Online-Händler die Möglichkeit, die Funktion „Bezahlen über Amazon“ als Bezahlart in ihr Portfolio aufzunehmen. Die Einführung von Amazon Payments wird derzeit äußerst kontrovers diskutiert. deutsche-startups.de sprach mit Marcus W. Mosen, Chief Commercial Officer bei Ogone, über die Anfragen an die Bezahlart. Das Unternehmen wird „Bezahlen über Amazon“ als einer der ersten europäischen Payment Service Provider ab September in seine Plattform integrieren.
Herr Mosen, führt die Einführung von „Bezahlen über Amazon“ nicht letztlich dazu, dass der Branchenriese durch viele zusätzlich generierte Händlerinformationen verstärkt kleine Anbieter schwächt?
Wenn wir uns die Markt- und Produktstrategien globaler Player im e-Commerce ansehen – wie beispielsweise eBay mit Paypal, Facebook mit Facebook-Credits oder Google mit Google-Wallet – dann halte ich diese Interpretation von Amazons Schritt für sehr abwegig. Amazon Payments positioniert sich eindeutig als ein neuer Service für den e-Commerce. Es findet demnach eine klare Diversifizierung vom bisherigen Angebot eines Online-Marktplatzes statt. Amazon verfolgt mit der Bezahlfunktion das Ziel, sich als E-Payment-Anbieter zu etablieren – und nicht, ein zusätzliches Marktforschungsinstrument an die Hand zu bekommen. Dass sich das Unternehmen hier seines mit einem hohen Bekanntheitsgrad ausgestatteten Brands und vorhandener Kundendaten mit bereits hinterlegten Karten-oder Kontoinformationen bedient, liegt auf der Hand.
Der Nebeneffekt, dass auf diese Weise unzählige neue Verbraucher auf der Amazon-Seite landen, ist aber schon beachtlich.
Dass Verbraucher durch Amazon Payments auf amazon.de geleitet werden, ist in meinen Augen nicht das Thema. Schließlich wird der Käufer erst nach seiner Kaufentscheidung in einem Onlineshop im Rahmen des Checkoutprozesess auf Amazon aufmerksam. Und: Vergleiche zu den Produkten und Preisen führt der Konsument viel früher durch. Entweder nutzt er die vielfältigen Preisvergleichsanbieter im Netz oder geht einfach direkt auf amazon.de. Im Übrigen bin ich davon überzeugt, dass wir mittelfristig auch Daten von anderen Unternehmen, die sie über ihr Kerngeschäft generiert haben, für neue Dienstleistungen nutzen werden. Ich denke hier z.B. an Telekommunikationsanbieter. Für den Verbraucher selbst stehen eindeutig die Convenience beim Bezahlen und der komfortable Check-out im Vordergrund. Deshalb glaube ich auch, dass sich eher die anderen Payment-Anbieter, insbesondere globale Brands wie Mastercard oder VISA, Gedanken machen müssen als die Online-Händler selbst.
Nochmal zurück zu den Auswirkungen für Onlinshops: Amazon Marketplace hat damals auch vielen Händlern Marktanteile abgegraben.
Dieser Vergleich hinkt aus mehreren Gründen. Zum einen geht es beim Marketplace und bei „Bezahlen über Amazon“ um grundsätzlich verschiedene Entscheidungen. Das eine ist ein zusätzlicher Vertriebskanal, das andere eine Zahlungslösung. Im Falle des Marketplace taucht der Händler zudem direkt auf der Amazon-Seite selbst auf. Beim „Bezahlen über Amazon“ muss der Kunde die Webseite des Online-Shops hingegen zu keinem Zeitpunkt verlassen, sondern findet lediglich beim Kaufabschluss eine zusätzliche Bezahlmethode vor. Im Übrigen kann ich die Argumentation, dass Amazon Händlern via Marketplace Marktanteile abgräbt, nicht ganz nachvollziehen. Erstens erfolgt die Integration auf freiwilliger Basis – wie übrigens auch im Falle von Amazon Payments – und zweitens berichten Teilnehmer des Projekts sogar davon, dass Kunden erst auf ihren Shop aufmerksam geworden sind, weil sie diesen bei Amazon entdeckt haben. Das steigert die Konversionsrate und führt letztlich auch zu mehr Umsätzen – wenn im Übrigen das Angebot des Webshops stimmt. Immerhin haben Studien zufolge alleine in Deutschland im vergangenen Jahr rund 25 Millionen Verbraucher bei Amazon eingekauft – das zeigt, in welchen Dimensionen sich der Online-Handel hinsichtlich potenzieller Neukunden bewegt.
Aber die Befürchtung vieler Internethändler, dass Amazon durch die neu gewonnenen Informationen nun sehr leicht Preise vergleichen und zu seinen Gunsten drücken kann, ist doch realistisch? Dieses Szenario würde schon zu einer Verdrängung aus dem Wettbewerb führen.
Der angebliche „Preiskrieg“ ist doch ein altbekanntes Phänomen, das wir schon aus den Zeiten kennen, als es noch gar kein Internet gab. Im stationären Handel kämpften auch Einzelhändler und große Kaufhäuser beziehungsweise Handelsketten um den besten Preis – und machen das heute noch. Dieser Wettbewerb hat sich dann später auf das Netz übertragen, wo sich genauso Spezialisten und Generalisten gegenüberstehen – abgesehen davon, dass die pauschale Aussage, die Großen der Zunft würden immer zu günstigeren Konditionen anbieten, gar nicht stimmt. Der über den Preis ausgetragene Wettbewerb wird also in keiner Weise erst durch die Funktion „Bezahlen über Amazon“ verursacht oder neu entfacht. Was die Konsumenten selbst betrifft, gilt hier dasselbe wie oben: Sie haben heute eine ganze Reihe von Möglichkeiten, Produkte und Preise zu vergleichen – und in jeder Preissuch- und Preisvergleichsmaschine taucht Amazon unmittelbar neben der Konkurrenz auf.
Wie können kleinere Shopbetreiber und Startups im Preiskampf mit Amazon bestehen?
Der Einzelhandel musste Konsumenten schon immer mithilfe anderer Verkaufsargumente überzeugen als über den Preis. Dazu zähle ich das Sortiment und neue Produktgruppen. Selbst wenn Amazon diese dann in sein Webangebot integrieren sollte, ist der „Kleinere“ doch zumindest stets einen Schritt voraus und kann so für eine langfristige Kundenbindung sorgen. Weitere Maßnahmen liegen in den Bereichen Sonderaktionen, Service und Beratung. Gerade letzteres sollte die große Stärke des Spezialanbieters sein – über die fachliche Expertise in seinem Branchenumfeld zu punkten. Ein Generalist wie Amazon stößt diesbezüglich schnell an seine Grenzen. Wobei es zugegebenermaßen Unterschiede gibt: Ein Weinhändler oder Spezialkleidungsgeschäft hat es diesbezüglich viel leichter als ein Shop, der Bücher oder CDs anbietet. Dann findet die Verdrängung aber nicht wegen der Funktion „Bezahlen über Amazon“ statt, sondern weil eine Marktsättigung eingetreten ist und der einzelne Shop gegenüber dem günstigeren Großanbieter keinen Mehrwert anbieten kann.
Selbst wenn „Bezahlen über Amazon“ Händlern nicht unbedingt schadet – warum sollten sie diese Bezahlart anbieten?
Was das Bezahlen angeht, sollten Online-Shops nicht nur eine möglichst große Vielfalt an Methoden anbieten, sondern auch genau analysieren, welche von ihnen der Kunde wünscht und am häufigsten nutzt. Diese sollte er dann auch in seinen Shop integrieren. Diesbezüglich findet aktuell ein Paradigmenwechsel statt: Kunden möchten auf möglichst bequeme Art und Weise bezahlen – diesem Phänomen kommen Payment-Anbieter entgegen. Ich glaube sogar, dass heute noch weit verbreitete Zahlungsmethoden wie der Kauf auf Rechnung künftig an Bedeutung verlieren, weil es hier mit dem Versand einer Papierrechnung zu einem Medienbruch kommt. Auf diese neuen Anforderungen sollten sich Online-Händler einstellen und nicht ausschließlich auf ihre eigenen Bedürfnisse schauen.
Kürzlich habe ich den Satz gelesen „Kunden lieben Amazon Payment – Händler Finger weg“ gelesen
Eben das ist der komplett falsche Ansatz. Im Handel schreiben genau diejenigen Anbieter Erfolgsgeschichten, die ihre Kunden kennen und möglichst exakt auf deren spezifischen Bedürfnisse eingehen. So gesehen wird „Bezahlen über Amazon“ für viel Betrieb auf den Seiten kleinerer Anbieter sorgen. Eine komfortablere Lösung ist für den Verbraucher jedenfalls schwer vorstellbar. Für Startups und kleinere Händler ist es daher auch von Vorteil, einen Payment Service Provider an ihrer Seite zu haben, über den sie leicht sämtliche Bezahlmethoden aktivieren können, die der Markt verlangt – neben Amazon Payments beispielsweise auch PayPal oder sofortüberweisung.de, das Lastschriftverfahren und international anerkannte Kreditkarten. Händler erreichen damit eine große Flexibilität, eine sicherere Abwicklung der einzelnen Transaktionen – und haben selbst nur einen sehr geringen Aufwand.
Abgesehen vom Wunsch des Endkunden: Welche Vorteile bietet „Bezahlen über Amazon“ kleineren Shopanbietern und Start-ups?
Sehr häufig steht hinter einem Startup eine neue Idee und ein pfiffiges Konzept. Gerade die Neugründungen besetzen mit speziellen Angeboten und Dienstleistungen eine Nische, in die ein Großer wie Amazon nicht wird eindringen können. Zu groß sind Spezifikation und Fachwissen, als dass Amazon dem neuen Anbieter gleich den Rang streitig machen könnte. Deshalb ist die Gefahr für Startups, gleich wieder aus dem Markt gedrängt zu werden, noch viel geringer, als dies bei Einzelhändlern mit herkömmlichen Angeboten der Fall sein mag. Umgekehrt profitieren gerade Neugründungen, die sich erst einen Namen machen müssen, vom Bekanntheitsgrad der Marke Amazon und einem Bezahlservice, der einen hohen Vertrauensvorschuss mit sich bringt. Beide Aspekte sorgen für Traffic auf der Seite und eine entsprechend hohe Anzahl an Abschlüssen. Ein weiteres Argument für kleinere Shops und Startups: Der Implementierungsaufwand ist gering, es fallen keine Vorauszahlungen, monatliche Gebühren oder gar versteckte Kosten an – und der Online-Shop ist nicht an lange Vertragslaufzeiten gebunden.
Zur Person
Marcus W. Mosen ist Chief Commercial Officer beim Payment Service Provider Ogone (www.ogone.de). Zuvor war er als Geschäftsführer bei Easycash und im Management von First Data International sowie bei der GZS (Gesellschaft für Zahlungssysteme mbH) tätig.