Dienste mit Lokalbezug: “Local Media” erobert Deutschland

Ein spannender Trend aus dem vergangenen Jahr ist das Erwachen des sozial-lokalen Bezugs zum eigenen Stadtteil. Das Leben auf virtuellen Marktplätzen ist auf Dauer dann doch eben etwas langweilig. Deshalb schreiben sich immer mehr Start-ups auf die Fahne, Menschen mit ihrem Stadtteil zu vernetzen – offline! Dabei geht es bei diesem Blick über den eigenen Gartenzaun im Wesentlichen um drei Dinge: Nutzer sollen erfahren, was um sie herum passiert, andere Kiezgänger kennenlernen und einen stärkeren Bezug zu den ortsansässigen Händlern und Gastronomen bekommen.

Eine Sache erweist sich in der Umsetzung als schwierig: Die Dienste leben davon, dass sich die Menschen möglichst flächendeckend registrieren. Dies wird umso utopischer, je mehr Local Media-Plattformen (mit jeweils leicht anderer Ausrichtung) den Markt bevölkern. Wann kommt der Dienst, der sämtliche genannten Aspekte unter einem Dach vereint?

Wissen was passiert
Das Berliner Start-up Placeboard (www.placeboard.com) bringt das Prinzip „Schwarzes Brett“ ins Internet. Jeder kann auf der Plattform ein virtuelles Brett für seinen Stadtteil oder sogar die eigene Straße anlegen und mit Angeboten, Gesuchen, Mitteilungen, Tauschgeschäften, Fragen, Ausschreibungen und Veranstaltungstipps füllen. Falls bestimmte Angelegenheiten auch offline Verbreitung finden sollen, hilft der Anzeigenkonfigurator beim Erstellen eines Aushangs – natürlich mit den typischen Abrisszettelchen und einem QR-Code-Feld für weiterführende Informationen.

Einen weiteren Stadtteil-Informationsdienst bietet gemeindebrett.de (www.gemeindebrett.de). Hier stehen Termine und Bekanntmachungen für die eigenen Orte und Stadtteile im Vordergrund. Vereinsfeste, Märkte, Kulturelles, daneben Infos zur letzten Bürgerversammlung oder aktuellen Baumaßnahmen: Was man als engagierter Bürger so wissen muss, findet man hier. Da der Dienst frisch gestartet ist, müssen die Bretter erst noch befüllt werden.

Lokale Einzelhändler und Gastronome
Der Hamburger Dienst Spoovel (www.spoovel.com) bietet eine interessante Möglichkeit, mit den ortsansässigen Händlern, Gastronomen und Dienstleistern in Kontakt zu treten. Nutzer stellen sich einen persönlichen Stream aus ihren lokalen Lieblingsorten zusammen. Auch themenspezifische Kanäle wie zum Beispiel “Konzerte” lassen sich anlegen. So kommt jeder an sein individuelles Stadtteilmagazin und damit an genau die Infos, die interessieren. Stationäre Händler erhalten die Möglichkeit, sich gezielt an ihre Follower zu wenden und sie zum Beispiel mit speziellen Angeboten oder Infos locken.

Einen Geschenkgutschein-Dienst bietet das in Berlin ansässige Start-up donanda (www.donanda.de) an. Wer ein Geburtstagskind überraschen will, stellt über die Plattform einen hübsch gestalteten Gutschein aus passenden lokalen Kiez-Läden, Restaurants und örtlichen Dienstleistern zusammen. Der Beschenkte kann den Gutschein bei einem oder mehreren der aufgeführten Anbieter einlösen und sich so einen schönen Tag in seinem bevorzugten Stadtteil machen – im Teeladen, beim Trödelhändler, in Luigis Eisdiele oder wo auch immer. Die Händler buchen den Betrag jeweils telefonisch bei donanda ab.

Um lokale Genussmomente geht es auch beim Stuttgarter Dienst Miomente (www.miomente.de). Die beiden Betreiber veranstalten in Zusammenarbeit mit lokalen Anbietern (oft Gastronome) exklusive Events. Die Veranstaltungen lauten “Männer an die Pasta”, “Schwaben-Kochkurs” oder auch “Rent a Barista”. Nutzer buchen die exklusiven Genussmomente über die Plattform und lernen auf diese Weise ihre Stadt neu kennen – schöner Nebeneffekt ist das Kennenlernen von gleichgesinnten Genießern. Bisher steht das Angebot leider nur Nutzern aus dem süddeutschen Raum zur Verfügung.

Menschen kennenlernen und sich helfen
In eine neue Stadt ziehen und gleich Leute im eigenen Viertel kennenlernen: Spreet.it (www.spreet.it) macht’s möglich. Mithilfe des Hamburger Dienstes senden Mitglieder sogenannte “Shouts” aus, zum Beispiel “Joggingpartner gesucht”. Andere Nutzer sehen den Aufruf auf einer Karte und können darauf reagieren. Natürlich kann man auch selbst auf die Ausrufe anderer Mitglieder reagieren und sich anbieten, beim Bettaufbauen zu helfen oder gegen Kaffee und Kuchen die Blumen zu gießen. Kiezbezug und Nachbarschaftshilfe haben nun mal viel miteinander zu tun. Dies hat auch Mitbewerber niriu (www.niriu.com) erkannt.

Eine besondere Form der gegenseitigen Hilfe ist das Verleihen von Gegenständen. Auf Plattformen wie frents (www.frents.com) und leihdirwas.com (www.leihdirwas.com) geht es ganz einfach: Wer Dinge wie DVDs, Bohrmaschine oder seine Nintendo Wii verleihen möchte – aus Nettigkeit oder um etwas zu verdienen – stellt die Gegenstände ein und macht sie entweder für alle Menschen oder für den eigenen Freundekreis sichtbar. Suchende Mitbürger sehen auf einer Umgebungskarte nun alle “nutzbaren Dinge einer Gesellschaft” und können den Verleiher gezielt darauf ansprechen. Neue Kontakte beim Abholen sind inbegriffen.

Bei all diesen neuen Diensten, die Menschen nach draußen schicken statt sie am PC zu halten, besteht akkute Gefahr die eigene Facebook-Pinnwand zu vernachlässigen. Für den großen Durchbruch fehlt allerdings noch die flächendeckende Registrierung der Menschen. Solange sich im eigenen Umkreis nur zwei Leute und ein Kiezladen angemeldet haben, machen die Dienste wenig Sinn – eine große Schwierigkeit für alle Local Media Angebote. Vielleicht wird ja eines Tages ein Anbieter den großen Durchbruch schaffen und das Prinzip “Soziales Netzwerk” wieder in die Offline-Welt verlagern.

Zum Thema
* Lokale Infos: Placeboard pinnt die Welt auf viele kleine Bretter
* Die eigene Nachbarschaft entdecken: niriu führt Menschen zusammen
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* Genießer-Events: Miomente schenkt Genuss-Momente
* Frents – Ein Netzwerk für Menschen und Sachen aller Art