Fünzehn Fragen an Lydia Horn von storytude
Was bedeutet es Ihnen, Ihr eigener Chef zu sein?
Mein eigener Chef zu ein ist eine neue Erfahrung, die mir bei aller Herausforderung äußerst gut gefällt. Während des Studiums habe ich schon mal freiberuflich für mehrere Kunden gearbeitet und erinnere mich jetzt daran, was für ein freies Gefühl das war. Eine tolle Ergänzung dazu sind unsere Investoren (drei Berliner Business Angels), die uns als Berater und Mentoren unterstützen und mit kühlem Kopf, Wohlwollen und ihrer eigenen Berufs- und Lebenserfahrung flankierend dabei sind. So wird die Freiheit, selbstbestimmt agieren zu können und ganz dicht dran zu sein, mit der Stabilisierung durch eine Meta-Ebene ergänzt.
Bei welcher Gelegenheit kam Ihnen die Idee zu Ihrem Start-up?
Die Idee, Geschichten dort zu erzählen, wo sie passieren stammt von meinen beiden Mitgründern. Auf einem alten iPhone setzten sie dann einen kleinen Demonstrator auf und drückten ihn mir in die Hand. Die Geschichte spielte vor dem Roten Rathaus, ich saß dort auf den Stufen und erlebte meine erste storytour in drei Kapiteln zwischen Spree und Nikolaiviertel. Ich war sofort überzeugt. Damals war ich noch angestellt im Marketing tätig und hatte mit Apps und Smartphones gar nichts am Hut. Aber die Idee war so überzeugend, das Produkt so begeisternd, dass ich bereit war, meinen Job zu kündigen und mich mit den beiden in das Abenteuer „Start-up“ zu stürzen.
Woher stammte das Kapital für Ihr Unternehmen?
Um die Gründung zu finanzieren, haben wir uns Ende 2009 für das Exist-Gründerstipendium beworben und dort ein recht umfangreiches Ideenpapier eingereicht. Nach nur neun Tagen hatten wir die Bewilligung – Rekord. Unsere ersten eigenen Büroräume nach der Exist-Zeit an der FU Berlin haben wir dann „gewonnen“ – zumindest für ein Jahr. 2010 haben wir beim degewo Gründerwettbewerb teilgenommen und als Sieger die kostenfreie Nutzung einer Gewerbefläche erhalten, die die degewo zur Verfügung stellt. Im Dezember 2010 investierten dann drei Business Angels in die mobile melting GmbH, sodass wir die Markteinführung finanzieren konnten.
Was waren bei der Gründung Ihres Start-ups die größten Stolpersteine?
Die nötige Klarheit zu haben bei aller Begeisterung. Es gibt immer viele Wege, viele Ideen, die Konzepte werden umfangreicher und am Ende merkt man, dass man eben doch nur zu dritt ist und die Ressourcen begrenzt sind. Das Wichtigste zu tun und das aber richtig gut ist die Kernaufgabe.
Gleichzeitig muss man lernen anzuerkennen, dass Fehler wichtig sind und einen weiterbringen. An der Menge der „Fehler“ oder ihrer Größe nicht zu verzagen. Immer weiter gehen, auch wenn es viele Rückschläge gibt. Verstehen, was der Unterschied zwischen Wissen und Erfahrung ist. In diesem Sinne sind die Stolpersteine eigentlich Teil des Wegs, den man gehen möchte.
Und schließlich: Das Team zusammenhalten, jedem ein Umfeld zu ermöglichen, das ihn motiviert und wachsen lässt. Man macht so viel zusammen durch, arbeitet rund um die Uhr, auf engem Raum oder sogar von Ferne, muss vielleicht nebenher jobben und gemeinsam Stress und auch mal Frustration wegstecken. Sich als Gründer und Unternehmer entwickeln und als Mensch.
Was würden Sie rückblickend in der Gründungsphase anders machen?
Ich würde weniger machen. Klarer strategisch fokussieren. Das Thema Produktmanagement bei einer Person verankern statt im Team. Fehlende Kompetenzen frühzeitig anderweitig reinholen. Dem Anfang mehr Bedeutung beimessen und mehr Zeit für alle Projektschritte einkalkulieren (die berühmte 2,5-Mal-Regel).
Jedes Start-up muss bekannt werden. Welche Marketingspielart ist für Sie besonders wichtig?
storytude ist ein digitales Produkt, das man benutzt, indem man sich in der realen Welt bewegt. Deshalb sind für uns sowohl Kooperationspartner im Web als auch vor Ort in der Stadt, z. B. über Anbieter von Führungen, wichtig. Außerdem sind wir neu und in gewisser Weise erklärungsbedürftig, weswegen wir viel Pressearbeit machen. Mit unserem doch ziemlich interessanten Thema gelingt das ganz gut!
Mobile machen wir bisher noch nicht so viel Werbung, das Thema steht für uns an, ganz klar. Hier steckt vieles noch in den Kinderschuhen. Über kurz oder lang wird auch das ein wichtiges Standbein für uns werden. Weiterhin suchen wir derzeit nach einem strategischen Partner für die Vermarktung unserer Produkte. Hier sehen wir vor allem im Bereich Tourismus großes Potenzial.
Welche Person hat Sie bei der Gründung besonders unterstützt?
Einerseits unsere Freunde, die fleißig unser Produkt getestet und ehrliches Feedback gegeben haben, und andererseits natürlich die Leute von Exist, der FU Berlin und unsere Coaches, vor allem in der frühen Phase. In der jetzigen Phase sind unsere Business Angels sehr wichtig sowie andere Gründer, mit denen der Austausch sehr wertvoll und meistens auch menschlich sehr bereichernd ist.
Welchen Tipp geben Sie anderen Gründern mit auf den Weg?
Machen! Wenn man das Leben als Angebot versteht, dann ist Gründen ein besonders wertvolles. Ein Sonderangebot ist es allerdings nicht!
Sie treffen den Bundeswirtschaftsminister – was würden Sie sich für den Gründungsstandort Deutschland von ihm wünschen?
Ich persönlich finde den Gründungsstandort Deutschland ziemlich gut und Berlin im Besonderen. Hier herrscht diese besondere Aufbruchstimmung; ständig etwas Neues; jeden Tag entstehen neue spannende Projekte. Es gibt sehr viel Unterstützung, sei es Beratung oder im Bereich Finanzierung. Das alles beflügelt natürlich und der Austausch mit anderen Gründern ist Gold wert.
Was würden Sie beruflich machen, wenn Sie kein Start-up gegründet hätten?
Wahrscheinlich im Marketing eines KMU in Berlin arbeiten.
Bei welchem deutschen Start-up würden Sie gerne mal Mäuschen spielen?
Bei einem von RocketInternet. Bei einem, das glücklich bootstrappt. Und bei einem, das gerade in den Endverhandlungen mit einem ausländischen VC ist.
Sie dürften eine Zeitreise unternehmen: In welche Epoche reisen Sie?
Die Wendezeit würde ich gerne nochmal mit reiferen Augen sehen. Auf die Zukunft wär ich auch neugierig, aber mögliche unschöne Endzeit-Szenarien halten mich dann doch zurück…
Sie haben eine Million Euro zur persönlichen Verfügung: Was machen Sie mit dem ganzen Geld?
In storytude investieren. OK, vielleicht nicht alles. Und ich würde etwas spenden – in ein Projekt, bei dem ich mich bestenfalls auch persönlich einbringen kann.
Wie verbringen Sie einen schönen Sonntag?
Smartphone- und Laptop-frei, also vor allem Email- und Anruf-frei. Lesen, draußen sein, Leute treffen.
Mit wem würden Sie sich gerne einmal auf einen Kaffee oder ein Bier verabreden?
Mit jemandem, der den Arabischen Frühling miterlebt hat. Das wäre dann der Kaffee, nehme ich an. Bei Bier denke ich an die Soundcloud-Jungs. Für mich dann ne Cola, ich mag nämlich überhaupt kein Bier!
Zur Person:
Lydia Horn ist Mit-Gründerin und Geschäftsführerin der mobile melting GmbH. Gemeinsam mit Jörg Polakowski und Karolina Schilling hat sie die storytude App (www.storytude.com) entwickelt, die seit Mai 2011 Hörgeschichten mit Sightseeing in Berlin, Hamburg und Frankfurt verbindet. Vor storytude war Lydia Horn bereits im Tourismus zu Hause, etwa als Marketing Managerin bei Air Berlin. Ihr Wissen in diesem Bereich vermittelte sie als Dozentin für Wirtschaftskommunikation weiter.