Gründerleben! “Ich kenn dich in- und auswendig” – Gründen mit einem Familienmitglied
Für manche ist es die schönste Sache der Welt und die Erfüllung eines Lebenstraums: Gründen. Dabei gibt es viel zu berichten und noch mehr zu beachten – egal ob in Bezug auf Gesundheit, Unternehmen oder Privatleben. In unserer Reihe “Gründerleben” stellen wir ab sofort jede Woche ein Thema vor, das das Alltagsgeschäft von Start-up-Gründern beleuchtet. In dieser Folge geht es um eine besondere Herausforderung: Die Kunst, sein frisches Start-up gemeinsam mit einem Familienmitglied hochzuziehen. Wie ist es, mit Bruder, Schwester oder Ehepartner ein Unternehmen zu gründen?
Morgens Büro, abends Familienfeier: Gründen im engsten Familienumfeld
Ein Start-up in die Welt zu setzen ist an sich schon herausfordernd. Gerade im ersten Jahr liegen die Nerven oft blank. Manch ein Gründer ist froh, wenn er abends die Büro-Tür schließen und auf Familie umswitchen kann. Aber was ist, wenn einem der Gründungspartner auch zu Hause im Ehebett oder auf der Familienfeier begegnet? Im folgenden Beitrag erzählen Gründer von ihrer Erfahrung, mit einem Familienmitglied zu gründen. Von dem unschätzbaren Vorteil, den anderen wirklich zu kennen und ihm blind zu vertrauen – und von der Herausforderung, nicht so forsch miteinander umzugehen wie man es aus Kindertagen gewöhnt ist.
Gründen als Ehepaar – Heike und Markus Helfenstein: Heimathonig (www.heimathonig.de)
Wir lieben es, in jeder freien Minute über unsere Projekte zu sprechen – auch am Frühstückstisch. Bevor wir über das Wetter reden, diskutieren wir doch lieber Geschäftsmodelle. Leben und Gründen sind bei uns eins. Natürlich kann das auch mal anstrengend für die Partnerschaft sein. Wenn man abends die Tür hinter der Arbeit zu machen will, ist es nicht ratsam. Unsere Erfahrung ist aber: Wenn nur ein Ehepartner gründet und der andere nicht mitzieht, ist es viel schwieriger. Denn man gibt schließlich alles in solch ein Projekt hinein. Als Gründer-Ehepaar ist es extrem wichtig, dass man sich streiten und wieder versöhnen kann. Man nimmt sich mehr heraus als gegenüber Kollegen, ist dickköpfiger und will den anderen unbedingt von den eigenen Vorstellungen überzeugen. Aber durch unsere unterschiedlichen Kompetenzen können wir die Gebiete ganz gut abstecken und meist auch abgeben.
Bei unser ersten Gründung Platinnetz sind wir damals auf viel Unverständnis gestoßen, weil wir beide in gutbezahlten Arbeitsverhältnissen steckten. Aber wir waren nicht unvernünftig, haben erst mal nur einen unserer Jobs gekündigt und uns klare Ziele und Deadlines gesteckt. Da wir uns absolut aufeinander verlassen können und nicht Angst haben müssen, dass der andere Vorteile für sich herausziehen will, haben wir auf rechtliche Absicherungen verzichtet. Aktuell hat sich durch unsere Kinder nochmals einiges verändert und wir müssen uns täglich gut absprechen, was wann stattfindet. Das ist manchmal anstrengend, aber wir sind gut darin geworden, uns gegenseitig anzustacheln. Und man kann wohl mit keinem Arbeitgeber der Welt seine Arbeitsstunden so flexibel austarieren wie mit seinem Ehepartner. Wir können uns jedenfalls nicht vorstellen, dass uns als altes Ehepaar der Gesprächsstoff ausgeht.
Gründen als Geschwister – Kai und Christian Wawrzinek: Goodgame Studios (www.goodgamestudios.com)
So harmonisch, wie Kai und ich jetzt zusammen arbeiten, war es bei uns in der Kindheit nicht immer. Da haben wir schon mal gestritten, wenn einer ein rotes Auto bekam und der andere ein grünes – die typische kindliche Bruder-Hassliebe eben. Dann ging Kai für ein Austauschjahr in die USA. Als er zurückkam, hatten wir uns so weiterentwickelt, dass es plötzlich sehr ausgeglichen wurde zwischen uns. Trotzdem haben wir nie geplant, gemeinsam zu gründen, das kam eher zufällig. Wir studierten beide in Kiel: ich Medizin und mein Bruder Jura. Im gemeinsamen Freundeskreis haben wir uns jahrelang regelmäßig für Brainstormings zu Geschäftsideen getroffen. Irgendwann stand dann unser Vorhaben, eine Spielefirma zu gründen, fest.
Unsere Familie hätte uns viel lieber in den Berufen gesehen, die wir studiert haben; da mussten wir ganz schön Überzeugungsarbeit leisten. Aber wir sind recht nüchtern an die Gründung herangegangen, haben uns klare Zeit- und Umsatzziele gesteckt. Hätten wir diese nicht erreicht, hätten wir das Projekt beendet. Auch ein Scheitern wäre eine gute Erfahrung gewesen. Da Kai und ich ziemlich unterschiedliche Typen sind, klappt es sehr gut mit uns. Manchmal gehen wir schon etwas forscher miteinander um, als wir es mit anderen tun. Wir können uns allerdings extrem gut einschätzen und ergänzen einander: Ich mache den kreativen Part, mein Bruder den analytischen. Das Kaufmännische teilen wir uns. Ein unschätzbarer Vorteil ist, dass wir uns in allen Lebenslagen blind vertrauen; diese grundsätzliche Selbstverständlichkeit gibt es nur innerhalb der Familie.
Gründen als Geschwister – Susanna und Jonathan Gebauer: ExploreB2B (www.exploreb2b.com)
Mein Bruder Jonathan und ich haben beide schon immer vom Gründen geträumt. Als er dann studierte – ich selbst bin acht Jahre älter – haben wir oft bei einem Glas Bier Ideen gewälzt, die dann aber leider meist schon von jemand anderem realisiert wurden. Unsere erste gemeinsame Gründung haben wir abgebrochen, bei der nächsten hat es dann gepasst. Jonathan und ich sind zwar grundverschieden, haben aber ähnliche Interessen und große Überschneidungen im Freundeskreis. Außerdem sind wir beide Mathematiker, was bei einem IT-Startup nicht verkehrt ist. An unsere Gründung sind wir locker herangegangen: Ich war beruflich etabliert genug um nach einem Scheitern wieder einsteigen zu können. Für Jonathan wäre es eine wichtige erste Berufserfahrung gewesen.
Eigentlich kann ich mir kaum jemanden vorstellen, mit dem ich sonst noch gründen würde. Als Geschwister weiß man ja genau, worauf man sich einlässt, kann die Fähigkeiten und Schwächen des anderen gut einschätzen, weiß sich zu nehmen. Über allem steht die Gewissheit: Egal was geschäftlich passiert, man bleibt trotzdem Geschwister. Natürlich ist diese Konstellation nicht nur unproblematisch. Beide bringen Ballast und manche Empfindlichkeiten aus der Kindheit mit, alte Rollenkonflikte tauchen auf. Man geht schon mal direkter und grober miteinander um als man es mit anderen tun würde. Andererseits hat man über Jahre hinweg gelernt, immer wieder zueinander zu finden. Wenn es mal so richtig kracht gibt es genügend Menschen, die Verständnis für den anderen vermitteln: „Du kennst ihn doch, du weißt doch wie er ist.“ Als Geschwister-Gründerpaar muss man lernen, nicht alles persönlich zu nehmen. Und abends sollte man dann auch durchaus mal getrennte Wege gehen.
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