“Wir wollen das Titelangebot bis 2012 verdoppeln” – Martin Fröhlich von PaperC im Interview
Die Fachbuchplattform PaperC (www.paperc.de), das Start-up des Jahres 2009, ist auf Expansionskurs: Derzeit touren die Gründer Felix Hofmann sowie Martin Fröhlich durch die USA und führen dabei viele Gespräche mit US-Fachverlagen. Im Interview mit deutsche-startups.de spricht Martin Fröhlich über zahlende Nutzer, Smartphones und finanzstarke Mitbewerber.
Nach der letzten Finanzierungsrunde haben Sie den Ausbau des internationalen Angebotes von PaperC angekündigt. Wie weit sind Sie mit diesem Vorhaben?
Wir kooperieren bereits mit führenden internationalen Verlagen wie O’Reilly, Pearson und Hong Kong University Press und mit vielen weiteren sind wir seit längerem im Gespräch. Unser Ziel ist es, eine – wenn nicht die – international führende Plattform für Fachbücher zu werden. Daher nutzen PaperC-Mitgründer Felix Hofmann und ich unseren derzeitigen USA-Aufenthalt nicht nur, um auf der O\’Reilly Tools of Change for Publishing Conference 2011 zu sprechen, sondern auch um vier Wochen lang unsere Gespräche mit den US-Fachverlagen direkt vor Ort fortzusetzen und zu konkretisieren. Wir sind zuversichtlich, in den nächsten Wochen weitere Kooperationen mit namhaften Verlagen ankündigen zu können.
Wie wird das PaperC-Konzept in den USA angenommen, rennen Sie offene Türen ein?
Das PaperC-Konzept wird in den USA schnell verstanden und sehr begrüßt. Daher wurden wir ja auch von O’Reilly auf die Tools of Change for Publishing Conference eingeladen. Grundsätzlich kann man sagen, dass es Start-ups in den USA und generell im angelsächsischen Raum leichter haben, mit innovativen Konzepten wie dem unsrigen Gehör und Unterstützung zu finden. Daher gibt es dort auch mehr innovative Unternehmen im Umfeld des Buchmarktes.
Welche fallen Ihnen spontan ein?
Da fallen mir etliche Namen ein: Safari Books, Bloomsbury Academic, DynamicBooks von Macmillan, Flat World Knowledge, Lulu, A Story Before Bed. Dass es aber auch bei uns immer mehr tolle Start-ups in diesem Segment gibt, hat der Buch Digitale Innovation Pitch gezeigt.
Das von Ihnen genannte US-Start-up Flat World Knowledge, nach eigenen Angaben “the largest publisher of free and open college textbooks for students worldwide”, hat gerade 15 Millionen Dollar eingesammelt. Können Sie als kleines deutsches Start-up in diesem Kampf überhaupt bestehen?
Ich frage mich ehrlich gesagt, ob Flat World Knowledge irgendwann mehr als 10.000 Fachbücher zum kostenlosen Lesen anbieten wird, welche PaperC schon heute von mehr als 70 renommierten Verlagen unter Vertrag hat. Am Ende entscheiden die Qualität der Plattform und die Attraktivität des Buchangebotes. Hier sehen wir uns auf einem guten Weg, auch langfristig international bestehen zu können.
Und wann steigt bei PaperC ein mächtiger Kapitalgeber ein?
Wir haben ja gerade erst im Dezember 2010 eine weitere Finanzierungsrunde erfolgreich abgeschlossen und von der estag Capital AG und weiteren Angels einen sechsstelligen Betrag für die Weiterentwicklung von PaperC zur Verfügung gestellt bekommen. Weiterhin investiert sind unter anderem der Technologiegründerfonds Sachsen. Hier sehen wir uns derzeit also gut aufgestellt.
PaperC ist in der Basisversion kostenlos. Die entscheidende Frage: Wie viele Nutzer zahlen für PaperC?
PaperC hat seit der Gründung 2008 circa 75.000 Nutzer gewonnen, von denen 2,3 % heute zahlende Nutzer sind. Der Anteil zahlender Nutzer hat sich allerdings seit 2009 mehr als verdoppelt. Das liegt unter anderem an der Einführung eines Lesezeit-Limits im November 2010, die sich positiv auf den Umsatz mit E-Book-Verkäufen ausgewirkt, aber nicht zu einem Rückgang der Neuanmeldungen geführt hat.
Wie funktioniert dieses Leselimit?
Wenn das Zeitlimit von 45 Minuten beim Lesen eines Buches erreicht ist, kann der Nutzer darin 60 Minuten lang nicht weiterlesen. Nach Ablaufen dieser Pause, kann das Buch dann wieder 45 Minuten genutzt werden, ehe erneut eine Pause eingelegt werden muss. Natürlich können während der Pausen andere Bücher gelesen werden. Aufheben lässt sich die Zeitsperre durch das Kaufen des ganzen Buches und das Kaufen einzelner Seiten. Damit wollen wir natürlich den Anreiz erhöhen, die Inhalte nicht nur zu lesen, sondern auch zu erwerben. Dennoch sind 45 Minuten eine lange Zeit, in der sich jeder Nutzer ein genaues Bild gemacht haben kann, welche Inhalte für ihn besonders wertvoll sind. Bei uns kauft daher niemand die Katze im Sack, wie es auf anderen Plattformen üblich ist. Der Nutzer zahlt am Ende nur für die Inhalte, bei denen es sich für ihn wirklich lohnt. Wir schaffen also einen Win-Win-Win für Nutzer, Verlage und PaperC.
2,3 % der User zahlen für die Nutzung von PaperC. Klingt gut, ist aber nicht viel. Wann schreiben Sie schwarze Zahlen?
Angesichts der umfangreichen kostenlosen Nutzungsmöglichkeiten bei PaperC, die in der Form keine andere Plattform bietet, sind 2,3 % zahlende Nutzer aus unserer Sicht eine gute Zahl, die unsere Planung stützt, im diesen Jahr den Break-Even zu erreichen.
Blicken Sie bitte einmal zurück: Was ist in den vergangenen Jahren so richtig schief gegangen?
Richtig schief gegangen ist nichts, sonst wären wir schon insolvent. Die Nutzung von Flash für unseren Reader war jedoch nicht ideal. Daher bauen wir ihn derzeit um und wechseln zu HTML5.
Diese Änderung zielt sicherlich auf die vielen Smartphone- und Tablet-Nutzer im Lande. Welche Rolle spielen diese Geräte bei der Strategie von PaperC?
Eine entscheidende. Künftig wird es weniger um den Besitz von Büchern oder Buchtexten gehen. Wichtig ist der Zugang zu einem attraktiven Pool hochwertiger Inhalte, die man jederzeit und von allen Geräten aus ‚on demand‘ abrufen kann. Für diese künftigen Nutzungsszenarien sind wir mit unserem Geschäftsmodell ideal aufgestellt. Selbst gegenüber etablierten Plattformen wie Safari Books Online bieten wir unseren Nutzern noch zusätzlich den Vorteil, dass unsere Bücher alle komplett kostenlos gelesen und somit vorab geprüft werden können.
Haben Sie den Smartphone-Markt zum Start unterschätzt oder bewusst ignoriert?
Wir haben ihn zu Beginn nicht ignoriert, aber bewusst andere Schwerpunkte gesetzt. Denn wäre es uns zu Beginn nicht gelungen, ein relevantes und über das Internet nutzbares Inhalteangebot aufzubauen, wäre alles andere ohnehin umsonst gewesen. Dabei muss man bedenken, dass unser Modell zur Zeit der PaperC-Gründung 2008 ein völliges Novum für die hiesige Verlagsbranche darstellte und es nicht absehbar war, wie es angenommen würde. Mittlerweile haben wir das Erfolgspotenzial des PaperC-Modells bestätigt und gehen daher planmäßig die nächsten Aufgaben wie Mobile an.
Blicken Sie noch einmal zurück: Wo haben Sie Ihrer Meinung nach bisher alles richtig gemacht?
Alles richtig gemacht haben wir natürlich auch nicht, sonst wären wir ja schon reich. Zumindest aber haben wir von Anfang an auf ein Soft Digital Rights Management gesetzt und keine Restriktionen eingeführt, wenn die Nutzer Seiten oder das komplette Buch ausdrucken wollen. Und wir haben Verlagen von Anfang an Statistiken geliefert. Beides hat sich sehr bewährt.
Wie viele Menschen sorgen für den reibungslosen Ablauf bei PaperC?
Unser Kernteam besteht aus sechs Leuten. Das sind die drei Gründer Felix Hofmann, Lukas Rieder und ich. Dazu kommen im Bereich Verlags- und Kundenpflege Christoph Harnoth und Lisa Steinbach. Bill Glucroft ist unser International Content Manager, der vor allem die internationale Expansion unterstützt. Weiterhin werden wir durch ein Netz aus Freiberuflern wie Upstream in Berlin oder auch Leander Wattig unter anderem im Bereich des Social Media Marketing unterstützt.
Kann man mit sechs Leuten die Verlagswelt umkrempeln?
Dass es geht, zeigen wir ja bereits. Wir werden uns aber noch weiter verstärken – auch in Asien und den USA.
Wo steht PaperC in einem Jahr?
Noch besser da als heute. Unser Hauptziel ist die Ausweitung des Content-Pools auf unserer Plattform, denn sie ist die Voraussetzung für unseren Erfolg auf dem globalen Fachmedien-Markt. Wir wollen das Titelangebot bis Anfang 2012 mindestens verdoppeln. Aber auch an der Plattform selbst werden wir weiterhin viel schrauben, um sie für unsere Nutzer immer noch besser zu machen. Das gerade integrierte Facebook Connect ist da erst der Auftakt. Lassen Sie sich überraschen.
Zur Person
Martin Fröhlich gründete PaperC gemeinsam mit Felix Hofmann und Lukas Rieder. Fröhlich ist beim jungen Start-up für die Verlagsakquise, Marketing und die mediale Aufmerksamkeit der Firma zuständig. Zuvor war er als studentischer Mitarbeiter, Praktikant und Diplomand bei Siemens Business Services (Paris/Frankreich), Siemens Automation and Drives (Chengdu/China) und Siemens Wind Power (Brande/Dänemark) tätig. Neben seinem Wirtschaftsstudium arbeitete er zudem bei der Rechtsanwaltkanzlei Hammonds sowie an zwei Forschungsprojekten.
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