Gründerinnen. “Die Männer sind die Bunten” – Kerstin Schilling von Andasa
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Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! In der Reihe “Gründerinnen” steht deutsche-startups.de unregelmäßig eine interessante, wichtige oder erfolgreiche Web-Unternehmerin vor.
Kerstin Schilling hat studiert, was sie nie studieren wollte: Mathematik und Physik. Aufgewachsen in der ehemaligen DDR blieben ihr andere Studienfächer verwehrt. Heute leitet die 50-Jährige das Leipziger Unternehmen Andasa (www.andasa.de), ehemals AdiCash. Das Bargeld-Bonusprogramm “vereint die Idee von Amazon und Payback”, indem Kunden 2 % Rabatt auf alle Produkte erhalten, die sie in einem der 3.000 angeschlossenen Shops einkaufen. Das Geld wird ab einem Wert von 30 Euro überwiesen.
Als die damals 18-Jährige zugunsten ihres Bruders kein Abitur machen durfte – die Eltern mussten sich für eines der Kinder entscheiden – war die Enttäuschung groß. Auf Anraten verschiedener Menschen sollte lieber der Junge studieren: “So gleichberechtigt, wie man heute denkt, war auch im Osten vieles nicht.” Da Naturwissenschaftler gesucht wurden, durfte Schilling ihr Fachabitur in Verbindung mit einem Mathe- und Physikstudium nachholen. Danach wurde sie Mutter und entschied sich, nicht in das DDR-Karrieresystem einzusteigen. Erst mit dem Mauerfall startete Schilling durch. Die Leipzigerin arbeitete für die Friedrich-Ebert-Stiftung, stieg in die Intershop-Firma ihres Zwillingsbruders ein und gründete schließlich selbst: 2003 entstand die Agentur Eastsidestory, die heute aufgrund einer Abmahnung Bestsidestory (www.bestsidestory.de) heißt. Vier Jahre später folgte AdiCash in Zusammenarbeit mit Schillings Bruder Karsten Schneider und dem gemeinsamen Freund Roland Fassauer. Mit der Namensgebung hat die zweifache Mutter kein Glück: Dieses Mal klagte Aldi und aus AdiCash wurde Andasa.
“Ich bringe die operative, finanziell vernünftige Hausfrauenmentalität mit ein”
Das Prinzip, für jeden Einkauf bares Geld zurück zu bekommen, zieht viele Menschen an. Wöchentlich treten neue Shops in das Partnernetzwerk ein. Trotzdem steht Andasa der Schwierigkeit gegenüber, dass hierzulande viele misstrauisch gegenüber Onlineshopping und Cashback-Systemen sind – ganz anders als in England oder den USA. “Viele Menschen glauben, dass wir Daten sammeln und weitergeben. Dabei haben die einzelnen Händler doch selbst ihre Statistiken im Backoffice und kennen das Kaufverhalten ihrer Kunden viel besser als wir – welche Daten sollten wir ihnen schon verkaufen?” Nun wollen die Leipziger, die früher in Jena ansässig waren, auch das europäische Ausland in Angriff nehmen. Das Geschwisterpaar hat beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen Start: “Karsten ist der wissbegierige, reiselustige Ideenlieferant, ich bringe die operative, finanziell vernünftige Hausfrauenmentalität mit ein – eine gute Ergänzung.” Heute kann Schilling ihrem Sonderweg viel Positives abgewinnen. “Ich bin im Studium auf viele unangepasste, aussortierte Menschen und begnadete Denker getroffen, die mich geprägt haben. Dabei habe ich die Distanz abgebaut, die man als Mädchen gegenüber solchen Menschen oftmals hat.”
In der unternehmerischen Männerwelt hat sie sich anfangs trotzdem außen vor gefühlt. Vieles laufe anders ab als unter Frauen, es gehe stärker um die spielerische Herstellung von Hierarchien und um Selbstdarstellung: “Die Männer sind eben die Bunten.” Netzwerkpflege beim Stammtisch, Segeln oder Golfen nehme einen wichtigen Teil im männlichen Berufsalltag ein, da will Schilling nicht mitziehen. Frauen seien in puncto Kommunikation emotionaler, aber auch ergebnisorientierter. Allerdings könnte etwas mehr “Ich will vorne stehen” nicht schaden, wenn sie sich frühere Kolleginnen so anschaut. Auch die Risikofreude sei bei Männern ausgeprägter. Schlechtere Unternehmer seien Frauen deshalb nicht, sie müssten nur stärker die Chancen ergreifen, die ihnen die heutige Gesellschaft biete. Kerstin Schilling hat ihre Chance ergriffen und bekennt: “Einmal selbständig, immer selbständig.”
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