Mobile Web-Apps – Warum man keine nativen Apps mehr braucht – Gastbeitrag von Marco Frodl (smarthouse)

Als Apple am 9. Januar 2007 in San Francisco das iPhone als Prototyp vorstellte, ahnte noch niemand, wie viel Veränderung dieses Gerät für den Mobilfunk-Markt bedeuten würde. Heute, fast 4 Jahre später, hat Apple über 55 Millionen Geräte verkauft und damit eine neue Ära begründet. „Normale“ Mobiltelefone sind tot – das Smartphone lebt (Wann haben Sie das letzte Mal ein Mobiltelefon gesehen, dass nicht auf iOS, Android, BlackBerry oder Symbian läuft?) Der Grund für diesen Erfolg dürfte ohne Zweifel das revolutionäre Bedienkonzept moderner Smartphones sein, dass von mehreren Säulen getragen wird: Touchscreen mit Gestenbedienung (haben Sie auch immer diese kleinen Stifte verloren?), einen großer Bildschirm mit hoher Auflösung, der die Gestenbedienung überhaupt Massen-tauglich macht, die ständige Verbindung mit dem Internet zur Visualisierung von Ergebnissen, die auf leistungsstarken Servern errechnet worden sind (Facebook, Xing, Shazam) und schlussendlich die Möglichkeit, das Smartphone über sogenannte Apps nach eigenem Geschmack zu erweitern, die über einen zentralen Marktplatz sehr einfach auf das Smartphone geladen werden können.

Insbesondere das Konzept der Apps überzeugte sowohl Anwender als auch Entwickler, was mittlerweile 5 Milliarden heruntergeladene Apps auf iOS eindrucksvoll beweisen. Endlich konnten jeder seine Zielgruppe auch unterwegs erreichen und so Kundenbeziehungen verstärken oder aufbauen. Nachteilig war jedoch von Anfang an die komplizierte Entwicklung von Apps. Eine App für iOS muss bis heute in der Programmiersprache C entwickelt werden und lässt viele Konzepte moderner Sprachen wie Java und .Net vermissen. Ein Anachronismus, den man im Taumel der neuen Möglichkeiten jedoch bereitwillig akzeptierte.

Google entzückte 2008 mit Android und seinem Android-Market.

Bis, ja bis andere Unternehmen angezogen von Apples Erfolg sich anschickten, eigene Plattformen mit eigenen App-Marktplätzen zu kreieren und sich so ein Stück vom Smartphone-Kuchen mit seinen App-Umsätzen zu sichern. Google entzückte 2008 mit Android und seinem Android-Market. BlackBerry folgte 2009 mit der Nachrüstung der BlackBerry App World. Und Microsoft startet in diesen Tagen Windows Phone 7 mit dem Marketplace. Besonders Google ist mit dem freien Android äußerst erfolgreich und erreicht mittlerweile mit 28% aller verkauften Smartphones in den USA Platz 1.

Für den Verbraucher ist dieser Wettbewerb mit seiner riesigen Auswahl an Geräten und Plattformen fantastisch. Ein Desaster ist er indes für Unternehmen, die ihre Zielgruppe mit Apps auf möglichst vielen Plattformen erreichen wollen. Warum? Jede Plattform bringt ihren eigenen Programmieransatz mit und benötigt daher eigene, sehr teure Experten, die eine hochwertige, „native“ App garantieren können. Großen Unternehmen wie Facebook macht es dabei nicht viel aus, seine App in C (iOS), in Java (Android), in Java ME (BlackBerry), C++ (Symbian) oder Silverlight (Windows Phone 7) zu entwickeln und anzubieten. Doch was machen Unternehmen, die nicht 5 Plattformen gleichzeitig supporten können?

Steve Jobs war seiner Zeit voraus

Hat Apple-Visionär Steve Jobs wirklich beim Entwicklersupport gepatzt? Nein! Vielmehr war er seiner Zeit voraus. Bereits auf der Apple Entwicklerhausmesse WWDC 2007 präsentierte Jobs 18 Tage vor dem Start des iPhone seine Vision von App-Entwicklung: Web 2.0 und Ajax gepaart mit dem Zugriff auf wichtige Datencontainer wie Anruffunktionen, SMS und Kontakte des Smartphones. Anwendungen sollten auf normalen Webservern im Internet laufen und so die Distribution und Updates von Apps massiv vereinfachen. Als Ausführungsumgebung sollte der Browser des Smartphones dienen. Niemand wollte damals dieser Vision glauben und folgen. Niemand konnte damals absehen, dass iPhone-Anwender fast vier Mal stärker das Internet mobil nutzen würden, als normale Mobiltelefonnutzer.

Ich bin überzeugt, dass nunmehr drei Jahre später die Zeit reif ist, diese Vision mobiler Web Apps wieder ins Rampenlicht zu rücken und neu zu bewerten:

1. Browser sind auf allen Smartphones neben der Tatsache, dass Telefonnummern aus Zahlen bestehen müssen, eine der wenigen Gemeinsamkeiten, die etablierten Standards folgen.

2. Modernes Javascript in Form ausgereifter Frameworks erlaubt in Kombination mit CSS eine gerätespezifische UI-Darstellung. Nur so ist der Anwender bereit, sich vollständig auf die App einzulassen. Schließlich hat er sich bewusst für „seine“ Plattform entschieden und möchte nicht von Ihrer App vom Gegenteil überzeugt werden.

3. Es muss nur noch eine einzige App entwickelt werden – Javascript und CSS sorgen immer stärker und immer besser für die Anpassung auf das verbundene Smartphone. Eine unglaublich effiziente App-Erstellung wird damit möglich.

4. Sie benötigen keine Experten für 5 verschiedene Programmiersprachen mehr. Massiv geringere Entwicklungskosten sind die Folge.

5. OpenSource-Projekte wie PhoneGap erlauben auf jeder Smartphone-Plattform den einheitlichen Zugriff auf gerätespezifische Daten wie Kontaktbuch oder Lagesensor.

6. Gleichzeitig erlaubt PhoneGap die Erstellung einer echten App aus einer mobilen Website. Diese kann über den jeweiligen App-Marktplatz vertrieben und vor allem von den Anwendern gefunden werden. Erst so wird aus einer mobilen Website eine mobile Web App.

Mein Rat lautet daher: Lassen Sie die neuen Möglichkeiten der App-Entwicklung nicht ungenutzt verstreichen. Reduzieren Sie stattdessen Ihre App-Kosten. Erreichen Sie Anwender auf vielen Plattformen.

Das Rennen im Bereich mobiler Web Apps hat gerade begonnen. Erst mit HTML5, CSS3 und mobilen Browsern, die auch komplexes Javascript ausführen können, wird die Vision von Steve Jobs nach über 3 Jahren langsam Wirklichkeit. Sencha, der Pionier in diesem Bereich, hat für sein Produkt Sencha Touch in diesen Tagen einen Wettbewerb für die beste mobile Web App gestartet. 50.000$ Preisgeld beweisen die Überzeugung der Macher in ihr Produkt. Beim „Unify Project“ ist der sonst eher behäbigere rosa Riese frühzeitig auf den anfahrenden Zug aufgesprungen und werkelt eifrig unter dem Eindruck einer ambitionierten Roadmap. Und last but not least ist der Guru der Javascript-Szene und Erfinder von jQuery John Resig seit Monaten kaum noch sichtbar. Warum? Suchen Sie einfach mal nach „jQuery Mobile“ in der Suchmaschine Ihres Vertrauens!

Zur Person
Marco Frodl ist seit 7 Jahren bei der Smarthouse Media GmbH (www.smarthouse.de) in Karlsruhe als Head of IT-Management für strategische Softwarearchitekturentscheidungen zuständig und stellt erfolgreich die Weichen für technologisch ausgereifte, sichere und performante Weblösungen im Finanzumfeld. Schwerpunkte sind dabei die Entwicklung von Systemen zur Echtzeitverarbeitung von Börsendaten und Lösungen für dauerhaft performante Hochlast-Webportale per Private-Cloud-Ansatz. Seine berufliche Laufbahn startete er nach dem Studium der Wirtschaftsinformatik als IT-Manager bei der Aperto AG in Berlin.

In eigener Sache: Echtzeit Klub – Apps. Welche Vor- und Nachteile bieten native Programmierung, Cross-Plattform, HTML, Flash & Co bei der Entwicklung von mobilen Applikationen und welche Technologie macht das Rennen? Im November findet der erste Echtzeit Klub statt. Thema: Apps. Fünf Redner beleuchten das Thema auf unterschiedliche Weise und stellen sich der Diskussion. Für den ersten Echtzeit Klub konnten wir Benjamin Thym von checkitmobile, Fabien Röhlinger von AndroidPit, Karsten Wysk von MobileBits und Rodja Trappe von hoccer gewinnen. Alle Details hier.