Online-Bezahlsysteme – Kreative Ansätze bereichern die Szene
Wie ein ICE nimmt der elektronische Handel immer mehr an Fahrt auf. Mittlerweile rauscht der E-Commerce-Zug mit beachtlicher Geschwindigkeit durch die Weltgeschichte. Dabei wurde das Gefährt anfangs stark gebremst: Es fehlte ein adäquates Bezahlsystem. Entweder waren die Möglichkeiten für Händler zu risikoreich (Rechnungskauf) oder für Kunden zu unkomfortabel bzw. unsicher (Vorkasse, Nachnahme, Kreditkarte).
Auch für Start-ups war die Wahl des richtigen Bezahlsystems ein kritischer Punkt, der über Top oder Flop entscheiden konnte. Die Wende brachte Anfang dieses Jahrtausends der eBay-Ableger PayPal (www.paypal.de), dicht gefolgt von ClickandBuy (www.clickandbuy.de) – beide Online-Bezahlsysteme sind bis heute Branchenriesen geblieben. Viele dachten: Damit ist die Revolution abgeschlossen. In Wirklichkeit zeigt sich: Das Thema ist ein wahrer Innovationsbrunnen für immer neue Ansätze! Im Mittelpunkt stehen dabei der sofortige Geldtransfer, die Verborgenheit von Kundendaten und ein Käufer- bzw. Verkäuferschutz.
Der letzte starke Impuls kommt von Seiten der Verlage und Game Publisher. Ihr Anliegen, Onlineartikel bzw. virtuelle Güter zu monetarisieren, pusht das Thema “Micropayment-Dienste”: Wer will schon für Centbeträge eine Überweisung tätigen oder sich mit sämtlichen Daten bei einem Bezahlsystem anmelden? Spieleentwickler haben das zusätzliche Problem, dass ihre junge Zielgruppe oftmals kein eigenes Konto besitzt oder ganz einfach nicht finanzstark ist. In Europa rücken die beiden Anbieter FreeCent und SponsorPay (www.sponsorpay.de) vom regulären Bezahlverfahren ab und ermöglichen ihren Nutzern, mit alternativen Währungen einzukaufen. Freecent verlangt von seinen Kunden Aufmerksamkeit: Wahlweise können Nutzer für bestimmte Inhalte bezahlen oder sich einen Werbespot ansehen und Fragen dazu beantworten. Werden die Fragen falsch beantwortet, läuft der Spot erneut. So bezahlen User mit einer Werbe-Aufmerksamkeit, die um ein Vielfaches höher ist als bei anderen Werbemodellen, was den Freecent-Partnern das Sponsoring wert ist. Das Konzept überzeugt beispielsweise die Branchenzeitungen wuv.de und den Finanztreff. Ähnlich SponsorPay: Unternehmen sponsern virtuelle Güter oder Premiummitgliedschaften, Nutzer füllen dafür Fragebögen aus oder registrieren sich bei einem Dienstleister. Mit seinem Angebot spricht SponsorPay vor allem die großen Spieleschmieden wie Gameforge, Bigpoint und Frogster an. GratisPay, ein Anbieter mit demselben Prinzip, fusionierte zuletzt mit SponsorPay. Bei Mitbewerber dealunited (www.dealunited.de) erhalten Kunden ihr gewünschtes Produkt sogar kostenlos, wenn sie bei einem Partner ein zusätzliches Produkt kaufen.
Freiwillige Bezahldienste erobern das Netz
Die ungewöhnlichste Idee der vergangenen Jahre entspringt der Annahme, dass das Geld der Nutzer lockerer sitzt, wenn sie es freiwillig geben. Die Welt staunt über den US-amerikanischen Bezahldienst Kachingle (www.kachingle.com)! Nutzer zahlen monatlich fünf US-Dollar auf ein Konto ein. Das Geld wird anschließend auf die Verlage und Seiten ausgeschüttet, die der Nutzer vorwiegend besucht und bei denen er auf den Kachingle-Button gedrückt hat. Da man öffentlich machen kann, welche Seiten man unterstützt, setzt man auch ein persönliches Statement. Nach fast demselben Prinzip funktioniert das schwedische Start-up Flattr (www.flattr.com): Hier vergeben Nutzer ihre Punkte an einzelne Artikel und nicht an die gesamte Webseite. Größter Referenzpartner ist die taz, deren Artikel “Kioskbesitzer über den Bild-Boykott” im September am meisten geflattert wurde (316 Klicks!). Auch der Blogger Stefan Niggemeier dürfte mit Flattr schon einiges verdient haben. Allerdings taucht nun die Problematik auf, dass die Verlage und Seitenbetreiber um so weniger verdienen, je mehr Partner ins Netzwerk mit einsteigen, da sich das Geld der Nutzer auf immer mehr Anbieter verteilt. Eine deutsche Weiterentwicklung dieses Konzepts fehlt bisher noch, würde sich aber lohnen.
Spannend ist auch die Weiterentwicklung “alter” Bezahlmethoden, aktuell im Bereich Rechnungskauf. Denn trotz vieler neuartiger Konzepte: Die Deutschen kleben wie Honig daran, nirgends wird so gerne auf Rechnung geshoppt wie hier! Mit Systemen wie Billpay (www.billpay.de) und RatePay (www.ratepay.de) bieten immer mehr Händler diese Bezahlmethode an, da sie kein Verlustrisiko mehr tragen: Die Systemanbieter übernehmen einen Rechnungsausfallschutz, der dank Bonitätsprüfungen aber nur im äußersten Fall zum Einsatz kommt. Eigentlich verwunderlich, dass das Konzept erst zehn Jahre nach dem US-amerikanischen Vorbild BillMeLater (www.billmelater.com) in Deutschland adaptiert wird. Auch der Brillenshop Mister Spex setzt auf Rechnungskauf und kooperiert mit dem Anbieter BFS finance (www.bfs-finance.de): “Kunden gehen auf diese Weise kein Risiko ein. Sie können Ware bestellen und müssen erst dann zahlen, wenn sie sich dafür entscheiden, die Ware zu behalten. Wird die Ware zurückgeschickt, fließt überhaupt kein Geld”, erklärt Martina Dier von Mister Spex, den nachhaltigen Erfolg dieser Bezahlmethode. Indem Händler nun abgesichert sind, ist ein großes Anfangsproblem gelöst.
Konzeptneuheiten im Bereich “Rechnungskauf”
Seit Kurzem ist der Rechnungskauf auch im Micropaymentbereich angekommen und beglückt vor allem Verlage und Spieleentwickler, die so mehr Artikel und virtuelle Güter verkaufen. Das amerikanische Start-up kwedit (www.kwedit.com) gilt als Vorreiter und wirbt mit dem “kwedit Versprechen”: Nutzer erhalten sofort ihr gewünschtes Produkt wenn sie versprechen, es später zu bezahlen. Aufgrund der geringen Geldsummen ist das Risiko für Händler tragbar und selbst bei einer hohen Anzahl von Menschen, die nicht zahlen, springt für die Game-Publisher noch genügend heraus, damit es sich lohnt. In Deutschland greift das Start-up In7Tagen (www.in7tagen.de) die Idee auf. Es richtet sich speziell an junge Kunden und ermutigt sie, per Versprechen virtuelle Güter zu kaufen.
Die Entwicklungen der letzten Jahre sind kreativ und verheißungsvoll. Wer hätte vor zehn Jahren gedacht, dass fernab von PayPal und ClickandBuy noch so viel rauszuholen ist? Erste Innovationen gab es zwar schnell – zu den ersten zählten Telefonbanking und Web.Cents. Schon seit 2001 können Telekom-Kunden Geldbeträge per Telefonrechnung einziehen lassen oder direkt am Telefon bezahlen. Ende September hat T-Pay (www.t-pay.de) diesen Dienst nun eingestellt und verweist Kunden auf die Prepaidkarte MicroMoney. Beim späteren Anbieter Infin-Payment (www.infin.de) kaufen Kunden sogar ohne Anmeldung am Telefon ein: Sie wählen beim Händler eine 0900-Nummer und bezahlen für den Anruf so viel, wie das Produkt kostet. Das Verfahren funktioniert auch per SMS und überzeugte beispielsweise den Kunden “Stiftung Warentest”. Web.de ermöglicht seinen Mitgliedern, beim Online-Shoppen mit der virtuellen Währung Web.Cent (www.webcent.de) zu bezahlen. Der zusätzliche Nutzen: Einkäufe bei den über hundert Partnern wie amazon oder travel24.com bringen Web.Cents ein, die sich auf weitere Einkäufe anrechnen lassen. Auch die klassische Überweisung erfährt in Form der Bezahlsysteme giropay (www.giropay.de) und sofortüberweisung.de (www.sofortueberweisung.de) noch eine Weiterentwicklung.
Kreative Ansätze für Bezahlsysteme sind weiter gefragt
Trotzdem: So richtig spannend und alternativ wird es erst, als Micropayment aufkommt und die Probleme der bisherigen Bezahlmethoden deutlich hervorhebt. Das neue Bezahlsystem Picopay (www.picopay.de) greift beispielsweise die Idee von PayPal auf, schraubt das Anmeldeprozedere aber auf ein Minimum zurück – und schenkt jedem Nutzer ein Begrüßungsguthaben, mit dem er das Angebot eines Verlages unverbindlich testen kann. Bleibt zu hoffen, dass das Thema “Bezahlsysteme” noch nicht erschöpft ist, sondern weitere kreative Ansätze zu Wege bringt – ein bisschen Fahrt könnte der Zug sicherlich noch aufnehmen.
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