Offline! “Die Zweigleisigkeit führte zur Auflösung der Firma” – das Ende von Tagcrumbs

Das Gründerfieber packte Cornelius Rabsch, Mitgründer des Location Based Service Tagcrumbs, in Übersee. Zunächst in Kanada, wo er während seines Wirtschafsinformatikstudiums (Uni Mannheim) ein Auslandssemester absolvierte: “In Waterloo, der Heimatstadt des Blackberry, merkte ich, wie die mobile Branche anfing zu boomen.” Vor allem die Verbindung von GPS und iPhones bzw. Smartphones hatten es ihm angetan. Im Hauptstudium ging es dann für Siemens einige Monate lang in die USA. “Inspiriert durch den dortigen Gründergeist entstand in mir der Ehrgeiz, selbst mit Technologien zu experimentieren und ein Projekt zu starten. In den USA sind die meisten Gründungen technologietetriebener als hierzulande, wo meist der BWL-Aspekt im Vordergrund steht.” Zurück in Deutschland gründete Rabsch noch als Student Tagcrumbs, der offizielle Start erfolgte im August 2008. Keine zwei Jahre später schloss der Dienst für viele überraschend seine Pforten.

Am Anfang sei alles super gelaufen, erinnert sich Rabsch. Seine beiden Mitgründer Benedikt Foit und Sascha Konietzke lernte er auf Gründertreffen kennen. Ruby on Rails-Entwickler Konietzke beim Barcamp in Mannheim, Foit bei der Genfer Lift-Konferenz. Rabsch strebte diese Dreierkombination an: “Zu Zweit streitet man sich schneller”. Wenig später stand die Grundidee zu Tagcrumbs. Die drei übertrugen das Konzept von delicious – Bookmarks speichern und mit anderen teilen – auf Plätze. “Mitbewerber, die exakt dasselbe Konzept wie wir verfolgten, gab es zu der Zeit noch nicht.” Während Rabsch und Konietzke am Prototypen bastelten und nebenbei studierten, arbeitete Foit am Businessplan.

Gedanken zur späteren Monetarisierung rückten nach hinten

Zunächst stand die Produktentwicklung klar im Vordergrund, Gedanken zur späteren Monetarisierung rückten nach hinten. Klar war, dass Tagcrumbs wie Vorzeigedienst Qype auf Reichweite gehen wollte und dementsprechend ein werbefinanziertes Modell anvisierte. “Dann merkten wir jedoch ziemlich schnell, wie schwierig es ist Nutzer zu akquirieren, wenn man nicht eine Menge Kapital reinsteckt. Selbst unsere großen US-amerikanischen Mitbewerber loopt und whrrl hatten Monetarisierungsschwierigkeiten, obwohl viel Geld reingepumpt wurde.” Tagcrumbs suchte Investoren, doch das werbefinanzierten Modell war dafür nicht geeignet. Da die Monetarisierung trotz der potentiell großen Reichweite nicht klappte, überlegte das Gründertrio, wie es aus Technologie und Anwendungen etwas Neues schaffen konnte. Die Idee: Firmenlösungen statt Endkundenorientierung. Man könne doch einen Konfigurator anbieten, mit dem Firmen nach Baukastenprinzip eigene mobile Anwendungen erstellen. Das neue Modell fand die Zustimmung verschiedener Business Angels, trotzdem lautete das Feedback immer gleich: Ihr Produkt sei überzeugend, man wolle aber erst in einer späteren Phase einsteigen. Bis dahin sollten die Gründer den Prototypen aus eigenen Ressourcen weiterentwickeln. Den Lerneffekt aus diesem Abschnitt beschreibt Rabsch so: “Wir haben uns mit dem Businessplan zu viel Zeit gelassen und zu viel Arbeit reingesteckt. Zunächst hätte eine wirklich gute Executive Summary genügt, alles andere kommt später.”

Wenig später fand Tagcrumbs dann doch einen investierwilligen Business Angel, eine erste kleine Finanzierungsrunde stand an. Jedoch zeigte sich zunehmend, dass die Visionen für Tagcrumbs innerhalb des Teams stark auseinanderdrifteten: Der Spagat zwischen B2B- und B2C-Produkt erwies sich als zu groß. Da die drei keinen gemeinsamen Weg fanden, musste die Finanzierungsrunde schließlich abgesagt werden. Nach wochenlangen Überlegungen entschieden sich die Gründer für das endgültige Aus ihres Dienstes: “Die Zweigleisigkeit, die wir seit August 2009 fuhren, führte letztendlich zur Auflösung der Firma.”

“Leider wollten wir zuerst ein perfektes Produkt schaffen”

Rabsch ist davon überzeugt, dass er und seine beiden Mitstreiter vieles richtig gemacht haben. “Wir haben die wichtigsten Kompetenzen in unserem Gründungsteam abgedeckt und unser gespartes Geld nur für Minimalausgaben ausgegeben. Bis zuletzt befanden wir uns im Bootstrap-Modus.” Manche äußeren Umstände seien hingegen schwierig gewesen – zum Beispiel das Agieren über Ländergrenzen hinweg. Rabsch saß zeitweise in Irland, wo er nebenbei seine Diplomarbeit schrieb, seine beiden Mitstreiter in Deutschland. “Dadurch saßen wir eben nicht zusammen am Mittagstisch und haben nebenbei am Produkt gefeilt. Da geschieht es leider schneller, dass man sich etwas voneinander distanziert und in unterschiedliche Richtungen abdriftet – was sich vor allem dann zeigt, wenn man schwierige Entscheidungen zu treffen hat.” Eine weitere negative Begleiterscheinung des studentischen Auseinandergerissenseins: “Aufgrund meines Auslandsaufenthaltes konnten wir keine staatliche Förderung wie \’Exist\’ in Anspruch nehmen. Ein großer Nachteil, denn mit solch einem Stipendium kann man eine Firma schnell auf ein höheres Niveau heben und einen Prototypen bauen. Eine Förderung entspannt vieles.” Der Knackpunkt sei aber, dass sie zu “produktlastig” rangegangen seien. Demgegenüber habe man den Firmenaufbau vernachlässigt. Noch einmal in derselben Situation würde Rabsch anders vorgehen: “Mehr Geld aufstellen, kleines Büro mieten, Praktikanten einstellen um den Firmenaufbau voranzutreiben, schnell Kooperationen eingehen und sei es nur mit dem kleinen Geschäft um die Ecke. Leider wollten wir zuerst ein perfektes Produkt schaffen.”

Mit der Tatsache, dass Tagcrumbs schließlich die Konsequenzen gezogen und den Dienst eingestellt hat, ist Rabsch versöhnt. Schmerzhaft war es trotzdem. “Viele Fragen treiben einen um: Was bringt es, dass man da jetzt zwei Jahre seines Lebens hineingesteckt hat? Ist es unnützes Wissen oder eine wichtige Lebenserfahrung, die man gewonnen hat?” Den Boden unter den Füßen hat es ihm aber nicht weggezogen. Was auch daran liegt, dass er bei kaufDA schnell eine neue Perspektive fand, die auf seinen bisherigen Erfahrungen aufbaut. Auch das ungewohnte Angestelltenverhältnis bereitet ihm keine Probleme. “Ich mag mein neues Umfeld bei kaufDA, fühle mich dort sehr wohl. Die Firma steht da, wo wir auch hinwollten: 30 bis 40 Mitarbeiter, gute strategische Perspektiven, Aufgaben werden sinnvoll verteilt.” Seine amerikanische Prägung kommt ihm nach dem Scheitern von Tagcrumbs ebenfalls zugute: “In den USA werden Menschen mit Erfahrungen wie der meinigen oftmals als kompetente, lernbereite Personen geschätzt. Dem stimme ich zu, ich finde solch einen Schritt mutig.” Eine Sichtweise, die in Deutschland tatsächlich noch nicht weit verbreitet ist. Dass sich dies langfristig ändert, daran arbeiten Gründer wie Rabsch, die offen über den vermeintlich dunklen Fleck auf ihrer Weste reden.

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