Spannung pur: Rechnungs-Bezahlsysteme erobern die deutsche Onlineshopping-Welt

Der Groupon-Hype scheint mit der Übernahme von CityDeal durch Groupon gerade überwunden, da steigt ein neues spannendes Thema am Himmel auf: Rechnungs-Bezahlsysteme. Zumindest in Deutschland, denn in den USA bietet Initiator Billmelater (billmelater.com) Online-Händlern schon seit gut zehn Jahren seine Dienste an. Das Unternehmen offeriert Shopbetreibern einen Rechnungsausfallschutz für die Bezahlmethode “Rechnungskauf”, welche für Händler andernfalls mit großen Risiken verbunden ist. Da der Kauf auf Rechnung bei Kunden jedoch sehr beliebt ist, steigert das Angebot dieser Bezahlmethode die Bestellquote enorm. Ausgelöst wurde die deutsche Copycat-Welle durch den Exit von Billmelater an eBay, der mit 945 Millionen Dollar überaus beachtlich war. Der Grund für diese hohe Summe dürfte in den großen Synergieeffekten mit PayPal liegen, da dieselbe potentielle Kundenschaft angesprochen wird.

In Deutschland schickten die Samwerbrüder Alexander, Marc und Oliver (auch an deutsche-startups.de beteiligt) einen der ersten Anbieter ins Rennen. Klon BillPay (www.billpay.de) erblickte im Februar das Licht der Welt. Das junge Unternehmen, bei dem auch Holtzbrinck Ventures (ebenfalls an deutsche-startups.de beteiligt) an Bord ist, wird von Nelson Holzner und Frank Biedka geführt. Daneben stürzten sich bereits PayProtect (www.domnowski.de), Heidelpay (www.heidelpay.de), Paymorrow (www.paymorrow.de), BillSafe (www.billsafe.de) und andere in den Verdrängungswettbewerb. Zum jetzigen Zeitpunkt heben sich vor allem die beiden Anbieter klarna (www.klarna.com) und RatePay (www.ratepay.de) von den vielen Mitbewerbern ab, denn neben dem Rechnungsausfallschutz vermarkten sie zusätzlich sogenannte “Revolvierende Kredite”. Damit können Online-Händler ihren Kunden nicht nur den Kauf auf Rechnung sondern auch den Ratenkreditkauf anbieten, was die Kundenkaufkraft erneut signifikant in die Höhe treibt.

65 % der Deutschen bevorzugen den Kauf auf Rechnung

Der seit 2005 existierende skandinavische Anbieter klarna hat rechtzeitig registriert, wie lukrativ der deutsche Markt im Vergleich zu anderen europäischen oder dem amerikanischen Markt ist: Laut der Studie “Erfolgsfaktor Payment” von ibi research bevorzugen 65 % der Deutschen den Kauf auf Rechnung, ein Top-Wert. Auch die VCs haben das große Potential erkannt und so schlugen sich nach Informationen von deutsche-startups.de im vergangenen Jahr verschiedene Branchenriesen wie Doughty Hanson und Wellington Partners um eine Beteiligung bei klarna. Den Zuschlag bekam der Brite Michael Moritz von Sequoia Capital, der stattliche sieben Millionen Euro in den Vertriebsaufbau im deutschsprachigen Markt investierte.

Nun macht mit RatePay ein weiterer Mitstreiter von sich reden. Der von Oliver Beste und Fabian Hansmann bzw. Founderslink ins Leben gerufene Anbieter hat gerade seine Partnerschaft mit der Otto-Tochter EOS verkündet – ein entscheidender Clou. Die EOS Gruppe hält als strategischer Investor 51 % der RatePay-Anteile. Die Hintergründe der Kooperation: Bisher gelten Ratenkredite als Stiefkind im E-Commerce-Geschäft. Selbst wenn Händler diese Bezahlmethode anbieten, ist die Abbruchquote bei Kunden hoch. Dies liegt daran, dass Käufer zur Identitätsprüfung je nach Unternehmen die nächste Postfiliale oder Bank aufsuchen müssen – eine aufwändige, unangenehme und damit extrem unbefriedigende Lösung. Manche großen E-Commerce-Shops tragen das Ausfallrisiko selbst, indem sie Bonitätsdaten über ihre potentiellen Kunden kaufen, beispielsweise von der Schufa. Über einen langen Zeitraum hinweg analysieren sie das Zahlungsverhalten ihrer Kunden und treffen die Kundeneinschätzung, das “Scoring”, selbst. In genau diesem Punkt verhilft die Partnerschaft mit EOS dem Anbieter RatePay zu einem großen Vorteil: “Unser strategischer Partner liefert uns jahrelange Erfahrungen und Daten, die für das Kunden-Scoring ausschlaggebend sind. An der treffsicheren Einschätzung der Zahlungstreue der Kunden entscheidet sich letztlich, welche Mitbewerber langfristigen Erfolg haben”, so Beste.

Wettbewerbsvorteil für BFS finance

Ein Problem, vor dem alle Rechnungs-Bezahlsysteme stehen, ist das Ablehnen von Kunden, die sich als nicht vertrauenswürdig genug für einen Raten- oder Rechnungskauf erweisen. Zum Verfahren: Hat der Kunde entsprechende Bezahlmethode ausgewählt erfolgt ein Echtzeit-Scoring, das beispielsweise Schufaeinträge, Mail-Adresse und Wohngegend abfragt. Ist die Kundenbonität fragwürdig, wird der Kauf auf Rechnung abgelehnt, was auf Kundenseite verständlicherweise ein großes Frusterlebnis hervorruft. Dieses Ärgernis kann nur umgangen werden, indem das Scoring bereits vor dem Auswählen einer Bezahlmethode erfolgt, also sofort nach Eingabe der persönlichen Daten. Kritischen Kunden werden entsprechende Bezahlmethoden dann gar nicht erst angeboten. Das Problem bei dieser Herangehensweise: Jede Datenabfrage verursacht Kosten, beispielsweise bei der Schufa. Somit ist oben genanntes Verfahren teuer. Laut Oliver Beste hat Mitbewerber BFS finance (www.bfs-finance.de) hierbei einen gewissen Wettbewerbsvorteil. Der Finanzdienstleister aus dem Hause Bertelsmann bietet ebenfalls seit Kurzem Rechnungsausfallschutz an: “BFS finance greift auf den Bertelsmann-eigenen Datencheckanbieter Arvarto Infoscore zurück, wodurch beim Kunden-Scoring geringere InHouse-Kosten für die Daten entstehen. Somit kann BFS finance die Daten tatsächlich schon vor der Auswahl des Bezahlsystems abfragen und erspart Kunden die peinliche und frustrierende Situation einer nachträglichen Absage”, erklärt Beste. Vor diesem Hintergrund hat sich beispielsweise der Brillenshop MisterSpex.de für diesen Anbieter entschieden.

Wie zu Beginn des Groupon-Hypes bleibt auch im Feld “Rechnungs-Bezahlsysteme” mit Spannung abzuwarten, wer sich im Verdrängunswettbewerb langfristig etabliert. Wird beispielsweise das US-Vorbild Billmelater einen eigenen Ableger in den Pool werfen, der aktuell von verschiedenen deutschen und einem skandinavischen Mitbewerber bevölkert wird? Die Wirtschaftskrise hatte dem Vorreiter – und damit dem gesamten Markt – vorübergehend einen Dämpfer verpasst, da in Wirtschaftskrisenzeiten die Zahlungsfähigkeit der Kunden sinkt und Anbieter plötzlich riesige unterschätzte Ausfälle bezahlen müssen. Schon ein Prozent mehr Ausfälle kann diese Unternehmen gefährden, da sie nur wenige Prozent Provision erhalten. In Deutschland wird nun entscheidend sein, welche Anbieter im Vertrieb am schnellsten große Partner überzeugen können und dann langfristig beweisen, dass sie die Kundenbonität am besten einschätzen können. “Je besser wir die Bonität beurteilen, desto mehr Endkunden kann RatePay Rechnungen oder Ratenkredite anbieten und desto mehr Zusatzumsatz erzielt der Internetshop. In dieser Hinsicht haben wir mit unserer EOS-Partnerschaft einen Wettbewerbsvorteil”, glaubt Beste. Sicher ist: Das Thema “Rechnungs-Bezahlsysteme” bietet für einen Großteil der deutschen Internet-Shopper einen enormen Mehrwert, da man hierzulande die Kreditkarte lieber stecken lässt. Damit birgt das Produkt, ähnlich wie Groupon, ein riesiges Potential. Die nächsten Monate versprechen Spannung pur – vielleicht mündet der Wettbewerb ebenfalls in einem millionenschweren Verkauf, der dann für ein klares, eindeutiges Bild im deutschen Bezahlsystem-Markt sorgt.