“Zusätzliches Kaptial benötigen wir nicht” – Konstantin Guericke von LinkedIn im Interview
Konstantin Guericke lebt seit 1986 in Kalifornien. Das Silicon Valley ist für ihn wie ein zweites Zuhause. Anfang 2003 gründete er zusammen mit Studienkamerad Reid Hoffman das Online-Businessnetzwerk LinkedIn (www.linkedin.com). Im Gespräch mit deutsche-startups.de spricht Guericke über die Unterschiede zum deutschen Konkurrenten Xing, den holprigen Deutschlandstart und Twitter.
Die wichtigste Einnahmequelle von Xing sind Abogebühren. Wie finanziert sich LinkedIn?
Werbung und Firmenlizenzen sind bei LinkedIn wichtiger als Abogebühren. Es ist uns wichtig, daß alle Mitglieder freien und vollen Zugriff auf Kernfunktionen wie Suche, persönliche Nachrichten, Status, Empfehlungen und Netzwerk Updates haben. Da es in jedem Netzwerk immer weitaus mehr Basis- als Premiummitglieder gibt, ist eine voll funktionsfähige Basisversion essentiell für das Wachstum und den Wert des Netzwerks. Denn man möchte ja nicht nur Updates von einem Bruchteil seiner Kontakte einsehen, und es ergibt keinen Sinn, daß die eigenen Updates für die meisten eigenen Kontakte nicht in den Netzwerkneuigkeiten angezeigt werden. Jedes Mitglied sollte natürlich seine eigenen Kontakte exportieren können und den eigenen Kontakten und Gruppenmitgliedern persönliche Nachrichten schicken können. Bezahlschranken sind bei Kernfunktionen kontraproduktiv und sind in einer Wettbewerbssituation zumindest mittelfristig nicht haltbar.
Wie steht es in finanzieller Sicht um LinkedIn, lohnt sich das Geschäft bereits?
Ja, wir arbeiten seit mehreren Jahren profitabel. Werbeeinnahmen wachsen über 50 %. Immer mehr multinationale Unternehmen, die in Werbung bei Businesspublikationen investiert haben, kommen jetzt auch zu uns.
Der Deutschlandstart von LinkedIn war etwas holprig und wurde mehrere Male verschoben. Woran hat es gelegen?
Der neue CEO entschied damals, daß es am Besten ist, uns erst einmal einen deutlichen Produktvorsprung zu erarbeiten, bevor wir in den deutschen Markt einsteigen. Den haben wir jetzt. Es gibt inzwischen etliche Funktionen in der Basisversion von LinkedIn, die in lokalen Businessnetzwerken nicht einmal Premiummitgliedern zur Verfügung stehen.
Viele Deutsche kommen mit LinkedIn auf Anhieb nicht zurecht. Woran liegt das und wie wollen Sie dieses Manko beheben?
Das ist wie wenn man ein neues Auto ausprobiert: man weiß erst nicht so recht, wo man Scheinwerfer und Scheibenwischer anmacht, und man lernt die zusätzlichen Funktion erst mit der Zeit kennen und schätzen. Zuerst sucht man natürlicherweise erst einmal nach dem, was man vom alten Auto kennt. Die Startseite wurde gerade überarbeitet, und dort floss auch etliches Feedback unserer deutschsprachigen Nutzer ein. Die User Experience soll auch weiter den Bedürfnissen der Mitglieder angepasst werden.
Inzwischen ist LinkedIn in Deutschland gelandet. Sind Sie mit den bisherigen Zahlen zufrieden?
Es gibt jetzt eine deutsche Version, und wir sind mit dem Wachstum an Neuanmeldungen im deutschsprachigen Raum sehr zufrieden. Wir achten neben Quantität aber auch auf Qualität. Das Produktdesign und die internationale Ausrichtung von LinkedIn zieht gerade auch im deutschsprachigen Raum ein qualitativ hochwertiges Publikum an. Zu viele wertlose Anfragen schrecken Entscheider ab. Das Netzwerk muß so etwas regulieren, um auch Führungskräften einen echten Mehrwert zu bieten.
Wie sehen Ihre Pläne für die kommenden Monate aus?
Wir verbessern die Kommunkation mit bestehenden Mitgliedern, denn unser Wachstum kommt hauptsächlich durch die Einladungen von Mitgliedern, die den Wert von LinkedIn erkennen und daher ihre Kontakte zu LinkedIn einladen. Wir suchen auch das Gespräch mit deutschen Multiplikatoren im Businessbereich, die sich interessieren, bei LinkedIn ein zweites Standbein aufzubauen, um von der Qualität des Netzwerkes, der internationalen Reichweite und der Mächtigkeit der Basisversion zu profitieren. Ich kümmere mich auch sehr persönlich um Multiplikatoren in interessanten Bereichen.
Wie können Startups Ihrer Meinung nach von den gerade neu geöffneten LinkedIn API-Schnittstellen profitieren?
Fast jede Business-Applikation kann durch die Einbindung von Beziehungs-, Aktivitäts- und Profilinformationen von LinkedIn verbessert werden. Jeder Entwickler kann sich bei LinkedIn anmelden und innerhalb von Minuten seinen Entwicklerschlüssel bekommen. Integrationen müssen nicht speziell von LinkedIn zugelassen werden, sondern sind sofort abrufbar, sobald der Code fertig ist. Dienste wir Tweetdeck, Posterous und Pathable haben LinkedIn schon in ihre Angebote integriert. Entwickler von mobilen Diensten und Recruitinglösungen arbeiten auch schon sehr aktiv an der Integration von Netzwerkinformationen von LinkedIn in ihre Applikationen.
Zuletzt sorgte LinkedIn mit der Einbindung von Twitter für Schlagzeilen. Passen der Plauderdienst und ein Business Network überhaupt zusammen?
Etwa 50 % der Tweets meiner Kontakte sind für mich aus beruflicher Sicht relevant. Die irrrelevanten Tweets erscheinen in der Regel nicht in meinen Netzwerk-Updates auf LinkedIn, da die meisten meiner Kontakte die selektive Funktion nutzen und LinkedIn dann nur die mit #in gekennzeichnete Tweets übernimmt. Mit unserer Tweets-Applikation kann man auch direkt auf LinkedIn die Tweets der Leute sehen, denen man auf Twitter folgt, Tweets von LinkedIn aus aufgeben und den eigenen Tweetstream in sein LinkedIn Profil integrieren. Die Company Buzz Applikation integriert einen Twittersuchagenten mit der Analyse von Trends und relevanten Inhalten. Dies funktioniert ähnlich wie bei unseren TypePad und WorldPress Applikationen.
Wie viele Menschen sorgen für den reibungslosen Ablauf bei LinkedIn?
Wir haben 450 Mitarbeiter.
LinkedIn wird unter anderem von Sequoia Capital, Greylock Partners und Bessemer Venture Partners unterstützt. Nach welchen Kriterien haben Sie Ihre Investoren ausgesucht?
Alle drei Investoren sind dafür bekannt, daß sie nicht möglichste bald ihre Anteile verkaufen wollen, sondern einen langen Atem haben, damit die Gründer auch das volle Potential ihrer Start-ups ausschöpfen können. Das erlaubt uns, strategisch auf die Bedürnisse unserer Nutzer eingehen zu können, und dadurch in die Qualität und das Wachstum des Netzwerks zu investieren. Das ist wesentlich besser als von Investoren den Druck zu haben, Profite für das nächste Quartal zu optimieren.
Wo steht LinkedIn in einem Jahr?
Wir sind mit 12 Millionen Mitgliedern das mit Abstand größte Online-Businessnetzwerk Europas und nach täglichen Nutzern laut Google AdPlanner auch das aktviste Netzwerk in allen Ländern Europas außer der Türkei, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Weltweit sind wir in den letzten drei Monaten um knapp acht MiIllionen Mitglieder gewachsen, und wir sehen gegenwärtig keine Verlangsamung unseres Wachstums. Solange wir unseren Nutzern helfen, produktiv und erfolgreich zu sein, werden sie immer mehr ihrer Kontakte zu LinkedIn einladen. Daher sind fast alle neuen Funktionen bei uns Teil der kostenlosen Basisversion, anstatt sie nur für Premiummitglieder zugänglich zu machen.
Ist der Börsengang noch ein Ziel?
Nur insoweit es uns strategisch hilft. Zusätzliches Kaptial benötigen wir ja nicht, da wir schon seit längerer Zeit profitabel arbeiten und wir die investierten Summen von SAP, den Samwerbrüdern und anderen Geldgebern noch gar nicht mal angetastet haben.
Was raten Sie deutschen Start-ups, die in den USA Fuß fassen wollen?
Ich empfehle, dass zumindest einer der Gründer bereits vor dem Launch in die USA geht. Wie die letzen zehn Jahre gezeigt haben, bekommt man sonst als deutscher Internet-Startup später kaum einen Fuß in den USA auf den Boden. Das Entwicklungsteam kann natürlich in Deutschland bleiben. Von Anfang an im Silicon Valley präsent zu sein, ist auch aus pragmatischer Sicht Voraussetzung, um die weltbesten Investoren wie Sequoia, Accel, Kleiner Perkins oder Greylock mit an Bord zu bekommen.
Zur Person
Konstantin Guericke ist einer der wenigen Deutschen, die es im Silicon Valley zu etwas gebracht haben. Den gebürtigen Hamburger zog es schon als Schüler für ein Austauschjahr in die USA. Später studierte er Innovation an der Eliteuniversität in Stanford und machte den Master in Ingenieurswissenschaften mit Fokus auf Künstliche Intelligenz und Entscheidungstheorie. Anfang 2003 gründete er zusammen mit Studienkamerad Reid Hoffman das Online-Businessnetzwerk LinkedIn (www.linkedin.com). Als Marketingchef war er von der Gründung bis zur Profitabilität maßgeblich an der Erfolgsgeschichte des Unternehmens beteiligt. Ende 2006 wurde das Startup jaxtr auf ihn aufmerksam und warb ihn als Vorstandschef ab. Aktuell ist er in beratender Funktion für LinkedIn tätig.