Gründerinnen. “Ich wollte an meiner Leistung gemessen werden” – Christiane Strasse von Projektwerk
Die deutsche Online-Gründerszene ist ein Männerverein. Auf Kongressen, Tagungen und sonstigen Branchenhöhepunkten sind Frauen die große Ausnahme. Aber es gibt sie! Jeden Mittwoch stellt deutsche-startups.de in der Reihe “Gründerinnen” eine interessante, wichtige oder erfolgreiche Web-Unternehmerin vor.
Wenn Christiane Strasse in ihrer Zeit als Angestellte eines gelernt hat, dann den Umgang mit Männern: Bevor sie die Projektbörse Projektwerk (www.projektwerk.de) ins Leben rief, arbeitete sie als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Lehrerin an der Bundeswehruniversität in Hamburg, wo sie auch promovierte. Dort betreute sie Offiziere und bewertete deren Seminararbeiten. Beste Vorraussetzungen also, um in eine Branche einzusteigen, in der man immer noch vergleichsweise wenigen Frauen begegnet.
Während ihrer Zeit bei der Bundeswehruni, die heute Helmut-Schmidt-Universität heißt, bekam die heute 43-jährige BWLerin eine Tochter. An ihrem Lehrstuhl gab es verschiedene Studien zu Frauen in Führungspositionen. Auf dieser Grundlage war ihr klar: “Als Mutter würde ich kaum eine verantwortungsvolle Führungsposition bekommen.” Sie kennt die Argumente, dass Mütter ständig wegen kranker Kinder ausfallen, zuhauf. Da sie sich aber “gut ausgebildet, motiviert und komplett einsatzfähig” fühlte, gründete sie ihr eigenes Unternehmen. “Ich wollte an meiner Leistung gemessen werden und nicht an meinem Familienstand. Wahrscheinlich hätte ich auch ohne Kind irgendwann gegründet, aber nicht so schnell.”
Eigene Lösungen durchzudrücken bringt nur mittelfristigen Erfolg”
Diese Erfahrung findet sie bis heute großartig, trotz schwieriger Zeiten. “Das wünsche ich allen jungen Frauen, dass sie den Schritt in die Selbständigkeit mehr als Chance und weniger als Risiko ansehen.” Vieles habe sie gelernt, was sie ansonsten nicht gelernt hätte, zum Beispiel Verhandlungsgeschick und die Suche nach Lösungen, die alle Interessen wahren. “Eigene Lösungen um jeden Preis durchzudrücken bringt nur mittelfristigen Erfolg. Als Unternehmerin muss man nach langfristigen Perspektiven suchen.” Sie fühlt sich wohl in dieser männerdominierten Branche, obwohl es immer wieder auch unangenehme Erfahrungen gab. Wenn sie zum Beispiel als “Herr Dr. Strasse” angeschrieben wurde, Anrufer den “Geschäftsführer” sprechen wollten oder ihr Titel auf dem Namensschild weggelassen wurde, während alle männlichen Kollegen im Raum den Titel draufstehen hatten. “Mein Kollege fand das allerdings viel schlimmer als ich”, lacht sie. Heute ist das für sie kein Thema mehr. Zum einen habe sie mittlerweile genug Lebenserfahrung und Selbstbewusstsein, um überall ernst genommen zu werden. Zum anderen sehe sie lächelnd darüber hinweg, wenn doch mal jemand daneben greift: “Es gibt so viele Gründe, nicht ernst genommen zu werden: Alter, schiefe Nase, falsche Ausbildung. Manche haben es eben einfacher, andere schwerer.” Sie jedenfalls möchte ihre Energie für die Firma und andere produktive Dinge verwenden anstatt sich zu viele Gedanken über solche “gesellschaftlichen Limits” zu machen.
Die Hamburgerin gründete Projektwerk bereits 1999 gegründet, das Unternehmen gehörte zu den ersten Jobbörsen auf dem Markt. Heute sieht sie viele kommen und gehen, “in Krisenzeiten kommen viele, die in Boomzeiten wieder verschwinden”. Eine Plattform, die noch früher dran war und bis heute der größte Mitbewerber ist, ist Gulp (www.gulp.de). Auch freelance.de (www.freelance.de) und Guru (www.guru.com) gehören zu den Konkurrenten im hart umkämpften Gewerbe. Allerdings unterscheidet sich Projektwerk durch das Finanzierungsmodell: “Die meisten Jobvermittler haben einen Makleransatz, arbeiten mit Provisionen. Wir hingegen sind eine Börse und vermitteln nicht. Jeder kauft bei uns einen Account und kann dann alle Funktionen wahrnehmen – egal ob er Projekte sucht oder sie anbietet.” Die Mitgliedschaft kostet einheitlich 300 Euro pro Jahr. “Wir wollen kein Gefälle zwischen Auftraggebern, die \’gnädig\’ ihr Geld verteilen, und Freelancern, die alles dafür tun um das Geld zu bekommen. Die Augenhöhe ist uns wichtig.” Aktuell richtet sich Projektwerk noch an Leute aus der IT-Beratung, andere Branchen sollen aber nach und nach folgen. Das Geschäftsmodell, wie es heute existiert, besteht erst seit 2006, “davor haben wir viel rumexperimentiert”. Momentan hat Projektwerk 50.000 Accounts vergeben, jeden Monat kommen 1.000 bis 1.300 neue hinzu. Weil es nach wie vor gut läuft, will Strasse nun auch die Internationalisierung der Plattform in Angriff nehmen. Und ihre Firma dahin bringen, dass sie ohne sie auskommt – “Wird aber noch ein paar Jahre dauern.” Was dann kommt? “Mal sehen. Auf jeden Fall bin ich eine richtige Unternehmernatur, kann mir kaum etwas anderes vorstellen.”
Zur Person
Christiane Strasse, Jahrgang 1966, ist Diplom-Kauffrau und promovierte 1997 an der Helmut-Schmidt-Universität in Hamburg zum Thema Personalentwicklung. Dort forschte sie zum Thema Flexibilisierung der Arbeit für Fach- und Führungskräfte, parallel arbeitete sie als Beraterin bei der F.G.H. Forschungsgruppe Hamburg, später bei W & P. Im Jahr 1999 gründete sie die Projektbörse Projektwerk.
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