Fragestunde mit FTD-Redakteur und enable2start-Jurymitglied Claus Hornung – die Antworten

In den vergangenen Tagen durften alle Leser von deutsche-startups.de Claus Hornung, der mit in der Auswahljury des FTD-Gründerwettbewerbs enable2start sitzt und die Artikel über die Gründer schreibt, Löcher in den Bauch fragen. Vielen […]

In den vergangenen Tagen durften alle Leser von deutsche-startups.de Claus Hornung, der mit in der Auswahljury des FTD-Gründerwettbewerbs enable2start sitzt und die Artikel über die Gründer schreibt, Löcher in den Bauch fragen. Vielen Dank für die vielen Zuschriften zu unserem User-generated Interview. Nun die ausführlichen Antworten auf alle Fragen. Eine Frage – bzw. es war eher eine lange Anmerkung – sprengte den üblichen Rahmen, deswegen gibt es die Antwort nur in den Kommentaren unter diesem Artikel.

Warum macht die FTD diesen Wettbewerb eigentlich?
Weil wir bei einer Gründung zuschauen möchten, während sie passiert. Denn Berichterstattung über Gründer gibt’s sonst meist nur in zwei Varianten: Eine Idee wird vorgestellt und Ende. Oder es wird nach ein paar Jahren noch mal drüber berichtet. Und dann hat man als Unternehmer gern schon mal viele Details der Anfangszeit vergessen – oder man verklärt sie.

Wir hoffen, dass das auch ein bisschen dazu beitragen kann, die Grundhaltung zu Gründern zu verändern. In Deutschland zeigt man immer noch gern hämisch mit dem Finger auf Menschen die scheitern. Die amerikanische Denkweise ist da eher: Hey, der traut sich was.

Das ist auch der Grund, warum wir Zahlen veröffentlichen. Nicht,um Gründer bloßzustellen, sondern weil das bei einer authentischen Berichterstattung dazu gehört. Mymuesli etwa, war schon ziemlich bekannt in der Gründerszene, als sie bei uns ausgezeichnet wurden. Als wir das erste Mal deren Zahlen veröffentlichten, tauchten in verschiedenen Foren Kommentare auf, die sinngemäß sagten: “Die Idee war mir ja immer sympathisch. Aber jetzt lese: die verdienen tatsächlich Geld damit.”

Wenn die Zahlen nicht so gut sind, ist es natürlich nicht immer angenehm, das als Gründer lesen zu müssen. Deswegen sage ich allen, die sich bewerben: Auch, wenn Sie durch die Berichterstattung sicher bekannter werden – nicht zuletzt, weil viele andere Journalisten das auch verfolgen -, wir sind nicht Ihre PR-Abteilung und wir sind auch dabei, wenn’s nicht so gut läuft.

Hilft die FTD, wenn es bei einem Start-up nicht rund läuft?
Nein. Die FTD ist eine Zeitung und kein Investor. Wir profitieren nicht an den Gewinnen der Start-ups und wir helfen nicht bei Verlusten. Wir beraten auch nicht. Das ist weder die Aufgabe von Journalisten noch deren Kompetenz – aber im Preis sind Coachingstunden bei unserem Partner inbegriffen, dem Gründungs- und Innovationszentrum UnternehmerTUM in München.

Nach welchen Kriterien werden die Sieger bestimmt?
Da spielen einige Punkte zusammen. Definitiv ist es nicht die Frage, wer im kürzesten Zeitraum mutmaßlich die höchsten Gewinne einfahren wird. Mit das Allerwichtigste ist die Persönlichkeit der/des Gründer/Gründers. Brennt jemand ganz offensichtlich für seine Idee? Hat er trotz aller Begeisterung die Sache nüchtern genug durchgerechnet? Traue ich ihm zu, die Sache durchzuboxen? Letztlich ist die Frage, die sich jedes Jury-Mitglied stellt: Kaufe ich dem das ab? Denn die Frage sollen ja auch tausende oder Millionen potenzieller Kunden mit “Ja” beantworten. Das ist zugegebenermaßen eine ziemlich subjektive Angelegenheit – wie jedes Bewerbungsgespräch.

Wichtig ist außerdem eine kreative Idee. Was nicht zwangsläufig heißt, dass es keine Mitbewerber gibt – jedenfalls, solang der Markt für das entsprechende Produkt noch nicht klar aufgeteilt ist.

Wenn eine Idee ein Beispiel dafür ist, dass sich gerade in einem Bereich grundsätzlich etwas Neues tut, ist das ein zusätzlicher Reiz. Das war etwa so bei Elly&Stoffl – ein privater Träger tummelt sich in einem Bereich, in dem früher nur öffentliche Institutionen arbeiteten. Oder bei Wikando – da mischen ein paar Start-ups den seit Jahrzehnten eingefahrenen Spendenmarkt auf.

Und dann soll sich das Ganze auch noch rechnen. Gewählt wird nur ein Team, von dem wir glauben, dass es langfristig schwarze Zahlen schreibt – nicht notwendigerweise noch in dem Zeitraum der Berichterstattung. Schwierig wird’s allerdings, wenn der Businessplan ausschließlich auf dem Sieg von enable2start basiert. Die 50.000 Euro sollen eine Hilfe sein, aber nicht der komplette Grundstock.

Trifft es die Jury eigentlich hart, wenn ein ausgewähltes Start-up scheitert?
Natürlich. Nicht wegen finanzieller Erwägungen. Denn wie schon erwähnt, sind weder die FTD noch die Investoren an den Start-ups beteiligt. Wir fühlen uns auch nicht blamiert, wenn wir uns geirrt haben. Denn auch wenn manche Manager etwas anderes vermitteln wollen: Niemand kann die Zukunft vorhersagen. Unsere Meinung ist: Wer scheitert, hat zumindest etwas versucht.

Aber es ist generell keine schöne Sache, wenn man sieht, dass jemand sich mit einer Idee, an die er glaubt, nicht durchsetzen kann. In meinem persönlichen Fall kommt hinzu, dass man über ein Jahr Berichterstattung natürlich eine menschliche Beziehung aufbaut. Es wäre schlimm, wenn mich das nicht bewegen würde.

Was machen die Gründer eigentlich mit dem Geld?
Was sie wollen.

Ist der Umgang mit den Gewinnern immer leicht?
Vielleicht sollten Sie lieber die Gewinner fragen, ob der Umgang mit mir immer leicht ist. Voraussetzung dafür, dass man ein Jahr lang miteinander auskommt ist, dass sich ein Vertrauensverhältnis aufbaut. Bislang hat das nach meinem Empfinden geklappt. Aber wir führen viele kleine und große Verhandlungen darüber, welches Detail vielleicht doch zu sensibel ist, um darüber zu berichten, und welches nicht. Da stehen sich die Interessen von Unternehmer und Journalist naturgemäß manchmal diametral gegenüber. Aber bislang haben wir noch immer eine Einigung erzielt, mit der alle leben konnten.

Wie läuft die Erfassung der Unternehmenszahlen genau, muss man sich als Gewinner total nackig machen oder bleibt eine gewisse Grauzone?
Gegenüber der FTD müssen sich die Gewinner vollkommen nackig machen. Wir wollen alles erfahren. Wir können die Angaben auch nachprüfen, weil wir Einblick in die Konten der Gründer haben – das muss auch so sein, weil wir sonst auch als FTD unglaubwürdig werden könnten.

Über die Frage, wo wir nach außen aber doch ein Handtuch drüber halten, sprich: welche Angaben aber so sensibel sind, dass die Veröffentlichung geschäftsschädigend wäre, gibt es viele viele Gespräche und Einzelfallentscheidungen.

Was definitiv jedes Quartal veröffentlicht wird sind: Ausgaben, Einnahmen, Schulden und verfügbares Kapital.

Gibt es Unterschiede zwischen älteren und jüngeren Gründern?
Über diese Antwort habe ich lange nachgedacht. Aber ich glaube, eigentlich nicht. Alles, was mir aufgefallen ist, waren letztendlich Unterschiede unter den Charakteren der Gründer. Ich habe jedenfalls nicht den Eindruck, dass “ältere” Gründer entspannter oder auch abgebrühter mit Zahlen oder unvorhergesehenen Ereignissen umgehen als jüngere. Das scheint mehr mit Erfahrungen als Selbstständiger zu tun haben als mit den Lebens – oder Berufsjahren als Angestellter an sich.

Ist geplant auch mal wieder etwas über die Start-ups aus der ersten Runde von enable zu machen?
Ja, wir planen, eine Woche lang eine Was-macht-eigentlich-Reihe online zu machen. Wahrscheinlich im Oktober.

Hat sich die Teilnahme für die Gewinner ihrer Meinung nach gelohnt?
Ja. Zum einen, weil Sie dadurch bekannter geworden sind. Zum anderen, weil sie durch die Langzeitbegleitung durch einen Journalisten wahrscheinlich besser lernen, wie die Medien ticken als durch einzelne Interviews.

Und etwas, was ich immer wieder höre ist, dass die Berichterstattung auch zu einer ganz guten Selbstkontrolle führt. Die Gewinner wissen ja: Jede Woche ruft der Journalist an, und will wissen, was ich gemacht habe. Dabei fällt einem schneller auf, ob man sich vielleicht gerade verzettelt.

Was macht den Reiz aus, die Gewinner über einen langen Zeitraum zu begleiten?
Einer meiner schönsten Ferienjobs war als Schüler bei einem Landschaftsgärtner. Bestimmt nicht wegen der Bezahlung. Aber: Dort habe ich im März ein paar tausend Stöckchen in die Erde gepflanzt und konnte im Juli an der gleichen Stelle ein blühendes Rosenfeld sehen. Das ist ein tolles Gefühl. Ein bisschen so ist es auch, wenn ein Unternehmen wächst. Wobei ich hier nur beim Pflanzen zuschaue.

Wird es den Wettbewerb auch im kommenden Jahr geben?
Gerade läuft die Bewerbungsfrist für die dritte Staffel. Geben Sie Gas: Deadline ist 15. August. Alle Details stehen unter www.enable2start.de.

Warum berichtet die FTD generell so wenig über junge Firmen?
Es könnte sicher mehr sein. Aber vor enable2start – und übrigens auch den “Gründermarktplatz”, auf dem sich Start-ups unabhängig von enable2start präsentieren können -, gab es noch deutlich weniger Gründungsberichterstattung in der FTD. Letztendlich aber besteht die Hauptzielgruppe der FTD vorrangig aus börsennotierten Unternehmen.

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Alexander

Alexander Hüsing, Chefredakteur von deutsche-startups.de, arbeitet seit 1996 als Journalist. Während des New Economy-Booms volontierte er beim Branchendienst kressreport. Schon in dieser Zeit beschäftigte er sich mit jungen, aufstrebenden Internet-Start-ups. 2007 startete er deutsche-startups.de.