“Der asiatische Markt befindet sich noch in der Wachstumsphase” – Georg Godula und Markus Fuhrmann im Interview

Asiatische Start-ups, wie beispielsweise Alibaba.com (China) oder Cyworld.com (Südkorea) erreichen in ihren Heimatländern Userzahlen, von denen heimische Gründer bislang nur träumen können. Kulturelle Unterschiede, wie die Aufgeschlossenheit gegenüber Technik allgemein und die selbstverständliche Akzeptanz des Online-Mediums sind nur zwei Gründe für diesen Erfolg. Auch für deutsche Start-ups kann es mittelfristig interessant werden, den asiatischen Markt zu erobern. Zwei, die sich mit diesem Thema auskennen, sind Markus Furhmann und Georg Godula, die mit ihrem Unternehmen Web2Asia deutschen Gründern helfen, in einem großen und ausdifferenzierten Markt Fuß zu fassen. deutsche-startups.de bat sie um eine Einschätzung.

Wie groß ist die asiatische Start-up-Szene?
Momentan herrscht in Asien und besonders in China eine gewaltige Aufbruchsstimmung und ständig werden neue Start-ups gelaunched und finanziert. Einer der Hauptgründe hierfür ist sicher das enorme Potential des Markets und das rasante Wachstum. In China z.B. wächst die Anzahl der Internetbenutzer um ca. 31,7 Prozent pro Jahr – das entspricht durchschnittlich etwa 190.000 neuen Usern pro Tag oder etwa 8.000 neuen Internetbenutzer pro Stunde!

Generell scheint die internationale Berichterstattung viel zu sehr auf die USA fixiert zu sein und es wird gar nicht realisiert, was sich derzeit in Ostasien abspielt. Die erstaunlichste Meldung sind die soeben veröffentlichten Quartalszahlen 4/2007 von QQZone, dem größten chinesischen Social Network. Demnach hatte QQZone 2007 mit über 100 Millionen aktiven Usern pro Monat und einer Milliarde Visits pro Tag, 50 Prozent mehr aktive User als Facebook. Oder das Beispiel Alibaba – die B2B Trading Platform: Der IPO im November 2007 an der Hong Konger Börse brachte 1,5 Milliarden USD ein und war damit der größte Technologiebörsengang seit dem von Google im Jahr 2004. Strikt genommen war die Marktkapitalisierung mit 25 Milliarden USD sogar größer als jene von Google damals mit 23 Milliarden USD.

Trotz dieser beindruckenden Zahlen ist die Community von Gründern überschaubar und man kann sehr guten Kontakt untereinander halten. Dadurch, dass der Wettbewerb untereinander noch recht schwach ist bzw. das Marktpotential so groß ist führt dies auch dazu, dass Partnerschaften und Kooperation sehr oft recht schnell zustande kommen und man sich gerne untereinander hilft. Die großen Städte in Ostasien sind ein Schmelztiegel unterschiedlicher Ideen, Persönlichkeiten und Kulturen, was eine zusätzliche Dynamik verleiht.

Wenn wir von Asien sprechen: In welchem Land sehen Sie im Moment die größten Potenziale für deutsche Start-ups?
Das größte Potential sehen wir momentan in China, da hier der Markt am stärksten wächst und am wenigsten gesättigt ist. Zudem sind die Chinesen zunehmend auch bereit, für gute Produkte oder Dienstleistungen Geld zu bezahlen, was lange Zeit nicht der Fall war. Besonders das Thema E-Commerce oder Micropayments für z.B. Entertainmentprodukte wie online Spiele verspricht eine große Zukunft. Der koreanische und japanische Markt hingegen bieten mehr Kaufkraft pro Kunde, aber auch einen härteren Wettbewerb.

Diese Einschätzung bzw. entsprechende Erfahrungen teilen auch eine große Anzahl an amerikanischen Unternehmen, wie beispielsweise About.com, Friendster und MySpace, die den chinesischen Markt betreten haben. Beziehungsweise mussten viele der internationalen Größen wie Google, Ebay oder Yahoo schmerzhaft erfahren, dass das asiatische User- und Zahlungsverhalten doch deutlich unterschiedlich zum westlichen ist. Ebay wurde z.B. in China durch den lokalen Mitbewerber Taobao bzw. Alipay – das Paypal Pendant – nahezu vollkommen aus dem Markt gedrängt, da jene viel früher erkannt haben, dass chinesische Benutzer Sofortzahlung gegenüber dem Versteigerungsmodell bevorzugen.

Wird der asiatische Markt Ihrer Einschätzung nach den US-amerikanischen in naher Zukunft ablösen?
Im Bereich der Mobiltelefone hat allein der chinesische Markt mit mittlerweile 520 Millionen Teilnehmern den amerikanischen mit 250 Millionen schon im Jahr 2004 überholt. Auch im Bereich der Internetbenutzer wird China noch im Laufe dieses Jahres mit derzeit ca. 220 Millionen an Amerika vorbeiziehen. Bei einer Internetpenetration von nur 15,9 Prozent der Gesamtbevölkerung (im Vergleich zu 71 Prozent in den USA und 40 Prozent in der EU) verspricht der Markt also noch gewaltiges Wachstum.

In Japan beträgt die Anzahl an Internetusern 87,5 Millionen und die Penetration 68,7 Prozent. Korea beheimatet 35 Millionen User bei einer Penetration von 71,2 Prozent.

Auch im Bereich der Internetnutzung gibt der asiatische Markt neue Standards vor. Alleine der Youtube Klon Tudou streamed mehr als 15 Milliarden Minuten Videocontent pro Monat mit einer Durchschnittsdauer von 40 Minuten pro Nutzersession (im Vergleich zu 15 bis 20 Minuten bei Youtube).

Cyworld hat in Korea einen Marktanteil von annähernd 95 Prozent in der Gruppe der 14 bis 25-jährigen. Das bedeutet praktisch jeder Einwohner Koreas in dieser Alterklasse ist Cyworlduser. Eine kürzlich veröffentlichte Studie spricht davon, dass jeder Koreaner zwischen 19 und 24 im Durchschnitt 78 Cyworld-Freunde hat.

Welche Themen sind im Web2.0 in Asien derzeit vorherrschend? Welche Trends werden dort zurzeit gesetzt?
Im Bereich der Kommunikation haben Instant Messenger in Asien eine Vorreiterrolle. Die IM Dichte liegt allein in China bei 86 Prozent (USA 39 Prozent) und der Marktführer QQ kommt auf einen Marktanteil von 89 Prozent. Die User senden sich täglich durchschnittlich 40 Nachrichten (im Vergleich zu 15 in den USA z.B. über AIM). Die indirekte Kommunikation spielt in der scheuen Gesprächskultur der Asiaten eine wesentlich größere Rolle.

Und wie sieht es mit dem Online-Gaming aus?
Das ist ein weiterer Trend, vor allem in Korea. Hier investieren koreanische Jugendlich bis zu 150 USD im Monat um ihre virtuelle Rennwagen zu tunen oder sich individuelle Kleidung zu kaufen. Auch Itemtradingplattformen erleben nach klarer Rechtssprechung einen starken Aufwind. Für 2008 zeichnen sich P2P Modelle als bestimmend ab, bei denen Asien führend ist – sei es im Bereich Lending, e-Learning oder anderes.

Sind asiatische Start-ups innovativ oder müssen sie sich, ähnlich wie in Deutschland, häufig den Vorwurf des Copycats gefallen lassen?
Hier muss man zwischen den einzelnen Märkten China, Japan und Korea unterscheiden. China war lange Zeit dafür bekannt, innovative Produkt- und Geschäftsmodelle aus den USA und Europa zu kopieren. Jedoch wurden die meisten dieser Copycats sehr stark an die asiatische Kultur angepasst, wobei man sehr oft nicht mehr von reinen “Kopien” sprechen kann. Aber es gibt auch Beispiele, wo annähernd das komplette Layout und die Bedienung übernommen wurden wie beim Facebook-Klon (www.xiaonei.com).

Kann man davon ausgehen, dass im Bereich Mobile Content, Online Games und Real Time Messaging eine immer stärkere Innovationskraft chinesischer Firmen zu erkennen sein wird?
Richtig! Wir gehen davon aus, dass in den nächsten Jahren erste Webtechnologien von China nach Europa kommen werden. Die Märkte Japan und Korea zeichnen sich schon länger durch innovative und manchmal auch für unsere Verhältnisse seltsame Produkte und Services aus.

Wie beispielsweise das japanische Videoportal Nico Nico Douga 2007?
Das war ein heißes Thema in Japan. Aber ob das ausgefallene Modell mit einer Kombination aus Video-Sharing und benutzergenerierten Inhalten wie Textkommentare und Symbolen, die über die Filme überblendet werden, in der westlichen Welt aufgenommen werden ist fraglich. Durch die Komplexität der geschriebenen Sprache sind Japaner (und auch Chinesen und Koreaner) viel aufnahmefähiger für online Inhalte, die für unsere Verhältnisse einen kompletten Informationsüberfluss darstellen. Dies ist mit ein Punkt warum nur wenige dieser Technologien den Sprung in den Westen schaffen.

Kann man überhaupt vom dem asiatischen Markt sprechen, oder ticken Länder wie China, Japan, Südkorea alle anders? Was sind die Unterschiede?
Die Unterschiede dieser drei Länder sind enorm und müssen daher als separate Märkte betrachtet werden. Japan ist sicher der Technologieführer im Bereich Mobile Applications und –Services, wohingegen Koreas Dominanz in der Games- und Communityindustrie zu finden ist. Die weitereichende Rolle Chinas, über die Tatsache hinaus der mit Abstand größte Online-Markt zu sein, wird sich erst noch herauskristallisieren müssen. Grundsätzlich ist natürlich jedes Land in Ostasien absolut unterschiedlich, dennoch gibt es auch wie in Europa Gemeinsamkeiten und einen geteilten Kulturkreis. Die traditionell chinesische Kultur und Sprache wird in vieler Weise auch in Japan, Korea und teilweise Vietnam gelebt und verwendet. Andererseits hatte und hat Japan einen sehr großen kulturellen Einfluss auf Korea, Taiwan und Teile von China. Insbesondere Mode- und Jugendkulturtrends werden weiterhin von Japan, Korea und teilweise Taiwan vorgegeben und in China und Vietnam übernommen.

Warum setzen sich zunehmend amerikanische Start-ups auf den deutschen Markt durch, nicht jedoch asiatische, die in ihrem Sprachraum große Erfolge feiern bzw. enorm hohen Traffic generieren. Ich denke da u.a. an cyworld, eine Community, die in Korea ein Riesenthema ist, hierzulande jedoch scheiterte.
Ein wesentlicher Punkt ist der unterschiedliche kulturelle Hintergrund der Amerikaner, Europäer und Asiaten. Amerikanische Business Modelle und Ideen sind viel näher an der europäischen Mentalität als an der asiatischen. Im Bereich der Technologien darf man nicht vergessen, dass die asiatische Internetlandschaft sich komplett unterschiedlich entwickelt hat. Hier haben sich andere Kommunikationsmuster entwickelt, welche in Europa in der breiten Masse noch nicht zum täglichen Leben gehören.

Ein anderer Faktor ist der Level der Technologieentwicklung in Asien, der in den kleineren Märkten Korea und Japan schon einen Level erreicht hat, der teilweise über westlichem Niveau ist. In einem Interview mit Kihong Bae, dem USA Geschäftsführer der Musikcommunity MusicShake erwähnte dieser, dass bei der Lokalisierung der Seite von Korea nach den USA deutliche Abstriche bei Flash und Active-X Inhalten gemacht werden mussten, da die Internetverbindungen in Amerika schlichtweg nicht damit standhalten konnten.

Ich könnte mir vorstellen, dass auch kulturelle und geographische Gegebenheiten weitere Ursachen sind…
Das stimmt. Asiatische Start-ups haben sich von jeher auf ihren jeweiligen Hauptmarkt konzentriert und nicht etwa wie amerikanische den Weg in andere Regionen gesucht. Cyworld war eines der ersten asiatischen Internetunternehmen das es gewagt hat, diesen großen Sprung nach Europa zu unternehmen, aber es letztlich nicht schaffte, dort Fuß zu fassen. Andere Beispiele, wie die eben erwähnte Musikcommunity MusicShake haben aber durchaus das Potential, über die USA nach Deutschland zu expandieren.

Welchen Vorteil sehen Sie für deutsche Start-ups in Asien?
Der Markt befindet sich in einer enormen Wachstumsphase und die asiatischen Internetuser sind offen für neue Produkte und Dienstleistungen. Zusätzlich stehen Länder wie China noch am Anfang ihrer technologischen und auch gesellschaftlichen Entwicklung, was sehr viel Bedarf für erprobte Technologien und Businessmodelle generiert. Auch sind deutsche bzw. europäische Gründer aus unserer Erfahrung viel eher bereit, sich an unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten anzupassen, was bei amerikanischen Unternehmen seltener der Fall ist.

Welche deutschen Business-Modelle funktionieren demnach Ihrer Ansicht nach in der asiatischen Net-Economy, welche nicht? Warum?
Hier muss man die drei Länder China, Japan und Korea streng unterscheiden. Während man in China nur sehr schwer Geld mit Werbeeinnahmen verdienen kann, stellt dies in Japan und Korea durchaus ein sinnvolles Business-Modell dar. Die chinesischen Konsumenten und auch Unternehmen sind noch viel weniger als europäische bereit für Applikationen oder Content den sie auch anderweitig gratis bekommen können, zu bezahlen. Dadurch haben es auch Softwarefirmen mit fix installierbaren Clients und Medienanbieter of sehr schwer, langfristig Umsatz zu generieren. Einen der vielversprechendsten Märkte für deutsche Start-ups sehen wir im Bereich E-Commerce bzw. bei Modellen, die gleich von Anfang an beständige Revenue Streams generieren können.

Sie denken dabei sicherlich an Beispiele wie Amiando oder Spreadshirt.
Unter anderem, aber auch an innovative Instant Messenger wie Weblin oder Online-Spieleanbieter wie Goalunited, die auf Micropayments setzen. Auch für unseren ersten Kunden Jimdo konnten wir das Geschäftsmodell erfolgreich nach China übertragen und arbeiten jetzt an Plänen für Japan und Korea.

Welche asiatischen Start-ups hätten eine Chance auf dem deutschen Markt?
Auf Seiten der chinesischen Unternehmen sollte man auf jeden Fall die B2B Trading Platform Alibaba im Auge behalten, die sich bereits jetzt auf starkem internationalem Expansionskurs befindet. Auch das bereits erwähnte japanische Nico Nico Douga hätte, bei entsprechenden Anpassungen, durchaus auch Chancen – vor allem da die Japanische Kultur…

…beispielsweise durch Mangas ….
…zunehmend an Bedeutung in der deutschen Jugendkultur gewinnt. Anders als bei Youtube können die User ihr Kommentare direkt in das Video einblenden und mit einer spezifischen Wiedergabezeit synchronisieren. Auch können im Gegensatz zu Youtube alle User ein Video taggen und nicht nur der Uploader. Dies führt zu einer Art Socialplatform, in der die Benutzer kritische oder witzige Kommentare hinzufügen können oder auch mit speziellen Skripts Votings oder Quizspiele in die Videos einbauen können. Für Korea gelten weiterhin Online-Spiele als extrem innovativ. Man denke nur an den Warcraft oder Starcraft Kult.

Auch das Thema Mobilfunk ist ein Riesenthema: Hätten deutsche Start-ups in diesem Segment überhaupt eine Chance in Asien?
Der asiatische Mobilfunkmarkt ist trotz seiner Größe noch ein relativ junger und dynamischer Markt. Zusätzlich entstehen durch die Einführung neuer Technologien und die Konvergenz von Internet und Handset laufend neue Geschäftsmodelle. So wurden z.B. Anfang April in China die ersten 3G Mobilgeräte ausgeliefert. Deutsche Start-ups im Bereich Value Added Services oder Contentanbieter könnten hier mit einer guten Strategie und Technologie sicher mitmischen. M-Info ein amerikanisches Unternehmen, vereinfacht beispielsweise in China die Suche nach Restaurants und Sehenswürdigkeiten durch einen SMS Service, welcher von mehreren hunderttausend Usern pro Monat verwendet wird.

Wie wird die Expansion eines deutschen Start-ups nach Asien formal vorbereitet? Welche rechtlichen Hintergründe sind dabei ganz besonders zu beachten?
Am Anfang steht eine Marktrecherche, welche die grundsätzliche Übertragbarkeit des deutschen Businessmodels auf den asiatischen Markt überprüft. Hierbei werden auch die rechtlichen Rahmenbedingungen wie etwa Lizenzen, Markeneinträge und etwaige staatliche Auflagen berücksichtigt. Danach arbeitet unser lokales Team gemeinsam mit dem deutschen Gründerteam eine optimale Markteintrittsstrategie aus. Basierend auf dieser werden dann kulturelle und technologische Anpassungen des Produktes geplant und vorgenommen. Das erstreckt sich von der einfachen Übersetzung des Userinterfaces, über die Layoutgestaltung der lokalen Website (Logos, Symbole, Zahlen, Farben, etc.) bis hin zu erforderlichen Adaptionen an der Funktionalität.

Und danach?
In einem weiteren Schritt binden wir, falls erforderlich, asiatische Paymentsysteme ein und verhandeln Kooperationen mit unterschiedlichen lokalen Partnern, die komplementäre Produkte bzw. einen schnelleren Markeinstieg ermöglichen können. Falls das Businessmodell auch E-Commerce Elemente beinhaltet werden ebenfalls entsprechende Vorbereitung. Nach erfolgreicher Betaphase bereiten wir den Launch vor und starten das Marketing in Form von SEM, BBS Marketing, Viral Marketing, PR Aktionen und so weiter. In Folge agieren wir quasi als lokale Niederlassung des jeweiligen Start-ups und treiben fortlaufend Produktentwicklung und Business Development für unsere Kunden voran.

Worin besteht der größte Unterschied in der Mentalität der Unternehmensführung zwischen deutschen und asiatischen Start-ups? Wie lassen sich diese Unterschiede überbrücken?
Hier gilt es so viele Punkte zu beachten, das man damit bekanntlich ganze Bücher füllen kann und wir möchten an dieser Stelle nicht zu sehr darauf eingehen. Ein Punkt ist allerdings sicher, dass deutsche Start-ups in der Regel sehr prozessorientiert und kooperativ aufgezogen werden, wogegen asiatische oftmals doch noch sehr streng hierarchisch aufgebaut sind.

Was sind die größten Fehler, die deutsche Start-ups immer wieder gerne im asiatischen Sprachraum begehen?

Die ersten Fehler entstehen oft schon im Vorfeld bei der Planung der Markteintritts oder gar der Einschätzung des Potentials des asiatischen Marktes. Hier darf man sich nicht von der schieren Masse an potentiellen Kunden verleiten lassen (“1% von China reicht uns”) sondern muss den Zielmarkt objektiv abschätzen. Dann unterlaufen sehr oft Fehler beim Entsenden bzw. dem Aufbau des lokalen Teams. Hier werden sehr oft erfahrene und westliche Manager nach China geschickt um dort das lokale Büro aufzubauen. Dies ist einerseits mit sehr hohen Kosten für Expatgehälter, der nötigen Infrastruktur und Lizenzen verbunden. Auf der anderen Seite dauert es nicht selten bis zu einem Jahr, bevor sich der westliche Manager überhaupt erst einmal in diesem komplett neuen Markt zurecht findet, das Team vollständig ist und der eigentliche Launch stattfinden kann.

Ein weiteres großes Risiko entsteht durch die Wahl des richtigen lokalen Geschäftsführers oder Partners in Asien. Leider gibt es hier v.a. aus China unzählige Beispiele, bei denen anfängliche Mitarbeiter oder Joint-Venture Partner sich nach Aneignung des nötigen Know-Hows und finanziellen Ressourcen mit dem selben Businessmodel verselbstständigt haben. Auch unterlaufen sehr oft Fehler durch fehlendes Verständnis und Einfühlungsvermögen für die asiatische Kultur.

Worauf sollten deutsche Start-ups bei der Namengebung achten, wenn sie nach Asien expandieren möchten?
Sie sollten sich von einem lokalen Partner, welcher auch mit der Umgangssprache im jeweiligen lokalen Markt vertraut ist, beraten lassen. Es gibt immer wieder witzige Situationen, wenn sich Deutsche in China von ihren Freunden mit “Tschüss” verabschieden, was sich im Chinesischen anhört wie “geh sterben”. Auch haben bestimmte Zahlen und Symbole eine besondere bzw. andere Bedeutung im asiatischen Raum und sollten dringend vorher auf ihre Sinnhaftigkeit überprüft werden.

Gibt es da berühmte Beispiele? Ein solcher Lapsus ist doch Facebook vor dem Eintritt in den chinesischen Markt passiert?
Zur Genüge, selbst internationale Internetfirmen haben nachweislich ihre Probleme mit der Komplexität asiatischer Sprachen und deren Auslegungsspielraum. Das Beispiel, dass sie meinen, zeigt das ganz gut. Obwohl Facebook z.B. noch nicht in China gelaunched ist, werden schon böse Witze über den Namen gerissen. Facebook klingt wie “fei si bu ke” (非死不可), was soviel bedeutet wie „zum sterben verdammt“.

Können Sie abschließed noch etwas zur Finanzierungssituation sagen? Sind asiatische Start-ups eher privat finanziert oder mit Risikokapital von Business Angels oder VC-Firmen ausgestattet?
Im Bereich der Finanzierung ist der asiatische Markt sehr ähnlich dem europäischen. Es sind etliche Business Angel Netzwerke vorhanden und alle großen Venture Capital Fonds haben eine Niederlassung in China, Japan und Korea. Auch besitzen beispielsweise chinesische Investoren eine hohe Risikobereitschaft und sind eher bereit in Risikokapital zu investieren. Der grösste Unterschied liegt im Bereich der VC Fonds, welche es schwerer haben einen Exit am asiatischen Markt durchzuführen. IPOs im Internetbereich sind eher selten (mit der Ausnahme riesiger und alteingesessener Firmen, wie etwa Alibaba) und Firmenverkäufe finden noch eher selten statt.

In Deutschland setzen die allermeisten Start-ups auf Werbeeinnahmen als wichtigste Einnahmequelle. Ist dies in Asien genauso?
In Japan und Korea stellen Werbeeinnahmen auch einen wesentlichen Teil der Einnahmen dar. In China ist diese Einnahmequelle praktisch nur riesigen Internetportalen vorbehalten und auch dort sind die generierten Umsätze nicht vergleichbar zu Europa. Hier wird das meiste Geld über Premiummemberships, Value Added Services und User Customization gemacht.

Zusätzlich versuchen etliche Start-ups ihre Userbase mit allen möglichen (und unmöglichen) Mitteln zu vergrößern, was zunehmend zu einem Überangebot von Werbeflächen führt. Dies kombiniert mit einer Dominanz der großen Portale erschwert es allerdings den kleineren Playern deutlich Fuß zu fassen bzw. langfristig zu überleben.

Zu den Personen:

Georg Godula und Markus Furhmann sind Mitgründer und Ideengeber von Web2Asia. Godula studierte Internationale Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Marketing und Finanzierung in Innsbruck und Göteborg. Zuvor war er bei dem Technologieunternehmen OMICRON als Business Development Manager tätig und veröffentlichte diverse Artikel in akademischen Fachjournalen zum Thema Marketing und „Virtuelle Kundenintegration in den Produktentwicklungsprozess“. Markus Furhmann kümmert sich um das Business Development. Er studierte Strategisches Management, Controlling und Entrepreneurship an der Vienna Business School und Tongji Universität in Shanghai. Er hat langjährige Erfahrung im Bereich Venture Capital und IT und war auch schon als Gründer tätig und investiert mit einem Chinesischen Business Angel Konsortium in Early Stage Internet- und Medienfirmen.

Web2Asia ist ein deutschsprachiges Dienstleistungsunternehmen mit Hauptsitz in Shanghai, das sich darauf spezialisiert hat, westliche Internetfirmen und Entwickler von Mobile-Applikationen bei ihrer Expansion nach China, Japan und Korea zu unterstützen. Dabei versteht sich das Unternehmen als umfassender Partner für schlüsselfertige Lokalisierung und fortlaufende Geschäftsentwicklung. Neben China unterhält Web2Asia Niederlassungen in Österreich, Großbritannien, Indien und Australien sowie ab April 2008 auch in den USA. Zusätzlich bestehen zahlreiche Partnerschaften in China, Japan & Korea. um die lokalen Märkte bestmöglichst abzudecken.