“Die Technologie wurde nie in Frage gestellt” – Interview mit Prof. Tobias Kollmann, Teil 2

Im ersten Teil sprach Prof. Tobias Kollmann darüber, warum es in Deutschland für junge Gründer so schwer ist, an Geld zu kommen. im zweiten Teil zeigt er sich optimistisch und glaubt an die Langlebigkeit des Internets und spricht über boomende Segmente, die beispielhaft Modelle aufzeigen, wie das Überleben in der Net-Economy gesichert werden könnte.

In Ihren Einschätzungen hinisichtlich der Net Economy klingen Sie stets optimistisch. Woraus speist sich dieser Optimismus?
Ich bin ein optimistischer Mensch und mein Grundmotto lautet: Ich will etwas bewegen! Und so versuche ich für diese Branche, die mir sehr am Herzen liegt, wirklich Impulse zu setzen, um sie weiter voran zu bringen. Das hat mir nach dem Platzen der ersten Blase nicht nur Freunde gebracht. Dabei gibt es durchaus auch kritische Momente. Aber ich glaube an die Langlebig- und Nachhaltigkeit dieses Mediums.

Könnten Sie sich denn ein Szenario vorstellen, dass eine mögliche Blase erneut platzen lassen könnte?
Das Platzen war das Platzen einer Spekulationsblase und niemals einer Internetblase. Diese Technologie wurde und wird nicht in Frage gestellt. In den letzten 200 Jahren haben sich alle Technologien durchgesetzt, die auf Kosten- und Zeitreduktion ausgerichtet waren. So ist das mit dem Internet auch. Das ist ein Bereich, der dauerhaft und langlebig sein wird und immer wieder neue Chancen für Gründer bringen wird. Aber noch mal: Wellenbewegungen wird es immer geben. Ich will nicht absprechen, dass es in Teilbereichen immer wieder mal zum Platzen kommt, z.B. durch Überangebote. Hinzu kommt: Das Internet ist selbstverständlich und kostengünstiger geworden.

Wann erwarten Sie die erste Konsolidierungswelle?
In diesem Jahr werden wir mit Sicherheit die eine oder andere Schließung sehen. Zu sagen, in welcher Branche die Konsolidierung beginnt, ist schwer einzuschätzen.

Welche Branchen haben in naher Zukunft Ihrer Meinung nach die größten Chancen?
Boomende Segmente sind sicher das e-Gaming oder alle Customized-Bereiche und Request-Geschichten. Auch Communitys finde ich durchaus spannend. Aber nur dann, wenn sie absolute Oberthemen beinhalten oder in gewissen Bereichen mehr bieten als reine Kommunikation. Aber sicherlich werden nach einer großen Konsolidierungswelle nur zwei oder drei Communitys übrig bleiben. Insbesondere, weil die Zielgruppen sehr viel sensibler werden. Viele unterschätzen die Macht des virtuellen Abbildes und gehen damit schon recht fahrlässig um. XING ist ein gutes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann. Es hat bewiesen, dass man mit Basis- und Premiumpaketen über die reine Kommunikation hinaus einen Mehrwert schaffen kann. Auch StudiVZ gebe ich ganz gute Chancen zu überleben.

Ist Werbung im Internet somit ein Auslaufmodell?
Ein Auslaufmodell wird es nicht sein, aber es ist auch nicht der alleinige Heilbringer. Wir werden in Zukunft hybride Mischmodelle sehen aus Verkaufsmehrwert und Werbemodellen.

Warum funktioniert Werbung im Internet nicht so gut?
Ich glaube gar nicht, dass Werbung im Internet nicht funktioniert. Die Ergebnisse aus Werbereaktions- und Aufmerksamkeitsstudien sind ja gar nicht schlecht. Werbung wird immer ihren Platz haben, ganz klar! Die Werbungtreibenden brauchen einfach noch ein bisschen Zeit, sich im Internet zu entwickeln. Allerdings: Für Unternehmen, die sich nur auf Werbeerlöse konzentrieren, wird der Überlebenskampf hart.

Die Mischung macht es also – ist das die große Chance der e-Gaming-Branche?
Ja, weil dieser Bereich drei Dinge miteinander verbindet, nämlich den Spieltrieb, die Vernetzung und das Item-Selling. Dadurch sind Einnahmequellen vorhanden, die nicht werbeabhängig sind. Trotzdem wird es auch dort Werbung geben – das ist ein Bild, das die User schon akzeptiert haben.

Was würde Sie denn noch einmal reizen zu gründen.

Ich darf dem Reiz nicht zu sehr nachgeben, sonst mach ich das tatsächlich noch einmal. Die Gefahr besteht. Aber der Reiz, bei anderen dabei zu sein und ihnen zu helfen, ist genauso groß. Aber ja, ich will etwas bewegen, eine Spur hinterlassen – das gefällt mir. Ich bin nicht der Typ, der nur im Sonnenstuhl liegen kann. Aber als Familienvater habe ich einfach zu wenig Zeit.

Welcher Bereich würde Sie denn dann noch einmal wirklich reizen?

Da ich das Pioniergen habe, müsste das schon wahren Neuheitscharakter haben, wo Kreativität verlangt ist, weil man etwas zum ersten Mal macht. Eine gute Idee, die aber schon da ist, springt mich persönlich überhaupt nicht an. Aber wenn es darum geht, die erste Online-Bundesliga auf die Beine zu stellen, dann bin ich dabei.

Sie sehen also noch Lücken? Noch im Web2.0 oder denken Sie schon an 3.0?

In 2.0 zunehmend weniger. In 3.0 zunehmend mehr.

Glauben sie, dass die Trennung zwischen Old- und New-Economy, wie wir sie derzeit noch haben, bestehen bleibt?

Nein, Verschmelzungen haben wir schon heute und die wird noch zunehmen. Irgendwann wird gar nicht mehr gefragt werden, ob Internet, Fernsehen oder Zeitung. Wir werden ein Informationsmedium haben, das alles speist. Keines der Medien, die wir momentan haben, wird vollständig sterben. Sicherlich wird es zu Verschiebungen in der Relevanz der Medien kommen, aber für alles gibt es eine Zielgruppe. Die Verschmelzung wird schleichend, kontinuierlich passieren und wird in Sprüngen passieren, so dass die Grenzen verschwimmen.

Bitte vervollständigen Sie abschließend folgende Aussagen:

Die größte Gefahr für deutsche Start-ups … ist der Rückzug der Investoren aus der Frühphase.

Die größte Chance für deutsche Start-ups … ist das hervorbringen eigener kreativer Ideen.

Die größten Fehler deutscher Start-ups … nicht immer ihren Weg konsequent zu Ende zu gehen.

In meinem Second Life wäre ich gerne … Wolfgang Overath, Fußballweltmeister von 1974 und der amtierende Präsident des 1. FC Köln.

Mein Avatar ist … ein Fußballspieler.

Zur Person
Prof. Dr. Tobias Kollmann studierte an den Universitäten Bonn und Trier Volkswirtschaftslehre mit dem Schwerpunkt Marketing. Seit April 2005 ist er Inhaber des Lehrstuhls für BWL und Wirtschaftsinformatik, insbesondere E-Business und E-Entrepreneurship an der Universität Duisburg-Essen, Campus Essen. Innerhalb der Forschung konzentriert er sich hier insbesondere auf das Thema „E-Entrepreneurship“ und damit auf alle Fragen rund um die Unternehmensgründung und -entwicklung in der Net Economy. Er ist Autor zahlreicher Fach- und Praxisbeiträge zu den Bereichen “Entrepreneurship”, “E-Business” und “Akzeptanz/Marketing bei neuen Medien” in nationalen und internationalen Zeitschriften bzw. Sammelbänden.