“Es gibt Schnittstellen zur Gesundheitspolitik”, imedo-Geschäftsführer Christian Angele im Interview, Teil 1
Currywurst statt Käsespätzle – mit dem Umzug von Stuttgart nach Berlin wird sich für das Team von imedo nicht nur der Speiseplan ändern. Noch bestimmen halb ausgepackte Kisten und Kartons die Einrichtung der neuen Büroräume in der siebten Etage. Der schöne Ausblick von dort oben auf das Rote Rathaus wird noch dominiert vom Abriss des Palastes der Republik. Vor dieser Kulisse traf deutsche-startups.de imedo-Geschäftsführer Christian Angele zum Gespräch über die Vorteile in der Hauptstadt und die stategische Zukunft der Gesundheitsseite.
Erst einmal ein Herzliches Willkommen in der Bundeshauptstadt, imedo! Was war der Grund für den Umzug von Stuttgart nach Berlin?
Wir hatten damals imedo in Stuttgart gestartet, weil wir dort ein Netzwerk hatten. Aber Berlin hat den Vorteil, dass ganz viele unserer Business Angels hier sind – teilweise sogar in diesem Gebäude (imedo hat die ehemaligen Räumlichkeiten der Spielebewertungsplattform Wazap bezogen, Anm. d. Red.). Das ist schon toll. Kaum hier angekommen, hatten wir schon Besuch von ihnen. Imedo lebt eben auch von dem Know-how dieser Leute. Wir lernen schon eine ganze Menge von ihnen und ihre Tipps haben uns oft genug weiter geholfen. Der persönliche Kontakt ist einfach nicht zu toppen. Eine zeitlang sind wir von Stuttgart nach Berlin gefahren, um unsere Business Angels persönlich zu treffen. Auf Dauer ist das nicht durchzuhalten, so dass wir unsere Kartons gepackt haben. Berlin ist zwar ein bisschen teurer als Stuttgart, aber unsere neuen Räume sind einfach klasse, zentral und schön. In Stuttgart saßen wir eher außerhalb.
Der Umzug hatte also wirtschaftliche Gründe und gar nicht so sehr, weil in der Bundeshauptstadt Ulla Schmidt residiert?
Doch, das ist sicher auch interessant für uns. Aber vor allem sind viele Verbände in Berlin und die Medienkonzentration ist höher. Außerdem ist unsere PR-Agentur in Berlin. Deren Netzwerk ist hier sehr stark. Wenn man hier eine Aktion fährt, erreicht man viel mehr Menschen. Zudem fehlte uns in Stuttgart einfach der Schwung, den eine Großstadt bietet. Auch nach Feierabend!
Fällt es Schwaben leicht, aus Stuttgart wegzugehen?
Mir schon. Ich war noch nie so tief im Schwabenland verwurzelt. Mit 16 Jahren bin ich in die USA, wollte raus aus Deutschland und bin auch durch das Studium rumgekommen – Bayreuth, Leipzig, Indien. Meinen Eltern ist es zudem gelungen, mich hochdeutsch zu erziehen. Meine schwäbische Herkunft hört man – glaube ich – nicht allzu sehr. Und man darf nicht vergessen: Stuttgart ist schon sehr speziell.
Kannten Sie Berlin schon besser?
Eigentlich nicht. Ich kannte bis auf Ausnahmen nur die touristischen Ziele. Nach den ersten wenigen Wochen jetzt ist mein Eindruck durchaus positiv. Die Menschen sind sehr freundlich. Mein Bäcker beispielsweise, oder Passanten, die man nach dem Weg fragt.
Ich kann mir vorstellen, der Umzug war ziemlich stressig.
Ja, das war ein riesen Chaos. Wir haben bis zum letzten Tag gearbeitet, parallel haben wir aber schon die Kisten gepackt und wussten fast bis zum Schluss nicht, wo wir genau hinziehen werden. Es gab Alternativbüros. Abgesehen von ein paar Ikea-Stühlen und Tischen hatten wir glücklicherweise nicht viel. Wir sind mit einem Transporter hier hoch, haben alles abgeladen und weiter ging’s. Offizieller Start war der 7. Januar, aber fertig sind wir noch lange nicht. Wir sortieren noch und werden nun erst einmal personell aufstocken. Wir streben eine Größe von 10 bis 15 Mitarbeitern an. Wir haben jetzt das erste Mal eine Sekretärin. Das war höchste Zeit. Vorher haben wir den ganzen administrative Teil selbst gemacht. Das war sehr zeitraubend.
In welche weiteren Positionen möchten Sie personell aufstocken ?
Ich denke, wir werden jetzt bald jemanden im Bereich Produktmanagement einstellen. Das Produkt werden wir zwar auch in Zukunft selbst führen und wenn es brennt, bin ich natürlich sofort zur Stelle. Aber wenn andere Dinge zu tun sind, wie jetzt beispielsweise die nun abgeschlossene zweite Finanzierungsrunde, ist man schnell am persönlichen Limit der Belastbarkeit. Am Produkt passiert dann einfach zu wenig. Das geht natürlich nicht. Wir sind immer noch unzufrieden. Unsere Plattform muss besser werden.
Das heißt, Sie werden künftig eher im strategischen Bereich tätig sein?
Ja, denn wir haben damals mit wenig angefangen. Aber wir hatten in den letzten Monaten eine steile Lernkurve, beispielsweise im Führen von Menschen. Vor allem aber müssen wir noch strukturierter werden und arbeiten, um imedo voranzubringen. Am Anfang waren wir vier Gründer. Da war die Kommunikation einfach und schnell. Doch je größer wir werden, desto mehr müssen wir unsere Struktur anpassen.
Sie haben die zweite Finanzierungsrunde bereits angesprochen. Diese ist ja nun abgeschlossen. Was haben die Gespräche ergeben?
Wir sind die nächsten drei bis vier Jahre durchfinanziert. Dadurch sind wir in der Lage, ein grundsolides Unternehmen aufbauen zu können. Am Anfang hatten wir eine kleine Start-Finanzierung, haben deshalb den Pfennig drei Mal umgedreht. Wir haben gemerkt, dass die Idee von imedo funktioniert. Darauf konnten wir nun aufbauen und wollten das langfristig finanziert haben. Die neue Runde war sehr erfolgreich. Das war eine sehr intensive und anstrengende Zeit und es sind neue Geldgeber hinzugekommen.
Namen dürfen Sie offenbar noch nicht nennen?
Stimmt. Nur so viel: Sie sitzen in München. Deshalb gab es auch die Überlegung, nach München zu ziehen – eine schöne Stadt. Aber leider viel zu teuer. Selbst nicht qualifizierte Studentische Mitarbeiter sind kaum zu bezahlen. Und die Wohnraummieten erst. Vom Preis-Leistungsverhältnis hätte das einfach nicht gestimmt. Und so viel mehr Lebensqualität hat München nun auch nicht zu bieten.
Wenn überhaupt, welche strategischen Auflagen wurden Ihnen denn durch die Investoren gemacht? Auch z.B. in Richtung Bundespolitik? Oder sind Sie davon völlig unabhängig?
Im Grunde, ja. Das Thema Gesundheitspolitik ist natürlich ein weites Feld, da gibt es schon Schnittstellen. Wir sind zwar eine Selbsthilfeplattform, aber wir wollen uns stark in Richtung „Zentrale für Gesundheit“ entwickeln. Themen, wie die Gesundheitsakte sind in diesem Zusammenhang interessant. Google hat vor einiger Zeit ihr „Google Health“ vorgestellt, auch Microsoft hat präsentiert. Es gibt weitere Anbieter. Wir wollen die User aber erst einmal sammeln und sie langsam auch an solche Themen heranführen. Denn dazu braucht es erst einmal Vertrauen.
Wie gelingt es Ihnen, dieses Vertrauen aufzubauen?
Bei uns finden Erkrankte zuammen, die sich über ihre Leiden austauschen und Hilfestellung sowie Tipps geben können – die sind wichtig für die User. Die Therapie ist natürlich Sache des Arztes. Aber der Austausch, wie man im Alltag mit seiner Krankheit leben kann, der findet bei imedo statt. Den Betroffenen hilft es, sich zu öffnen, darüber zu sprechen und mit den Erfahrungen auch anderen ein Stück weit helfen zu können. Wir sind dabei sehr stark auf aktive User angewiesen. Noch ist alles user generated content – laut einer britischen Studie ist der es, der das Vertrauen auf gesundheitsbezogenen Seiten aufbaut. Natürlich birgt dieser Content Vor- und Nachteile. Langfristig wollen wir eine Datenbank aufbauen, aus der sich ablesen lässt, wie Menschen allgemein mit ihren Erkrankungen umgehen. Zusätzlich wollen wird künftig mit Experten zusammenarbeiten, die bei ganz zentralen Themen beratend tätig sind.
Ich könnte mir vorstellen, manche Heilungsvorschläge sind nicht unbedingt seriös. Wie gehen Sie damit um?
Wir filtern. Was nicht seriös erscheint, nehmen wir von der Seite. Anhand des Nutzerprofils und der -aktivität sowie durch das Prüfen der Beiträge lässt sich meist gut einschätzen, wie ernst gemeint ein Ratschlag war. Ab und an ziehen wir medizinische Berater heran. Darüber hinaus möchten wir bald eine Ärztin mit ins Boot holen, die hier durch ihr Fachwissen eingreifen kann.
Aufgrund der Länge des Gesprächs wird dieses Interview morgen an gleicher Stelle zu gleicher Zeit fortgesetzt.