Das ist die perfekte Welle
Die deutsche Startup-Szene wächst. Besonders das Internet hat es vielen angehenden Unternehmern angetan. Tagtäglich heben junge und erfahrene Gründer überall in Deutschland neue Unternehmen aus der Taufe. Tagtäglich werkeln Jungunternehmer heimlich, still und leise an Businessplänen, kämpfen mit der Technik und ärgern sich über Behördengänge. Tagtäglich investieren Business Angels, Risikokapitalgeber und Medienhäuser Geld in neue und etablierte Startups. Allein die in Deutschland aktiven Beteiligungsgesellschaften pumpten laut Bundesverband Deutscher Kapitalbeteiligungsgesellschaften (BVK) 2006 rund 3,6 Milliarden Euro in junge Unternehmen – das sind 20 % mehr als im Vorjahr.
Ein Ende des Booms ist nicht in Sicht. Im Gegenteil. Und das ist auch gut so, denn Deutschland hinkt beim Thema Existenzgründungen im Vergleich zu anderen Ländern hinterher. In der Existenzgründer-Studie “Global Entrepreneurship Monitor” (GEM) landete Deutschland nur auf Platz 23 von 35 Ländern. Die Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Universität Hannover und der KfW-Bankengruppe analysiert jährlich das Klima für Existenzgründungen in 35 Ländern.
Cyber-Garage für Auto-Liebhaber
” im Netz vor. “Bei uns dreht sich alles um die Liebe zum Automobil. Es geht um Geschichten über Menschen und Autos”, sagt Mit-Gründer Kuwatsch. Keinesfalls gehe es um den Verkauf von Fahrzeugen. Autoliebhaber können ihr Gefährt bei “autoki” präsentieren, Zeitgenossen mit ähnlichen Interessen finden, sich in verschiedenen Gruppen mit anderen Mitglieder austauschen, Reparaturtipps geben oder in Erinnerungen schwelgen. Knapp ein halbes Jahr haben die Gründer an ihrem Autoliebhaber-Netzwerk gebastelt.
Ebenfalls noch am Anfang steht Volker Neumann. Bei seiner brandneuen Community “IamNo.com” sind alle Nutzer eine Nummer (etwa 574843, 12245 oder 936278). Wie bei anderen Netzwerken kann jedes Mitglied Kontakte zu anderen Mitgliedern knüpfen. Alle User können ihre persönliche Nummer aber auch auf ihrer Jacke, ihrem Auto oder ihrem Rucksack zur Schau stellen. Andere Zeitgenossen, die die Nummer in der Offline-Welt entdecken, können die Zahlen bei “IamNo.com” eingeben und so den Besitzer ausfindig machen. “’IamNo.com’ revolutioniert das Prinzip der Online-Community”, sagt Gründer Neumann. “Wir haben ein Tool geschaffen, das erstmals die Grenzen zwischen Offline- und Online-Welt aufhebt: eine Idee für alle – ob auf Partys, beim Joggen im Park oder bei der U-Bahn-Fahrt.”
Stammbäume anlegen und verwalten
Mit Familienstammbäumen wagen David An und Nikolaus Zirwes den Sprung ins Unternehmertum. Gemeinsam hievten die ehemaligen Web.de-Manager das Startup “FamilyOne” ins Netz. Mit dem neuen Dienst können Onliner – alleine oder gemeinsam mit ihren Verwandten – Familienstammbäume anlegen und verwalten. “FamilyOne bietet allen Familien eine Plattform, über die sie sich austauschen und den Kontakt halten können”, sagt Gründer und Geschäftsführer An. Vorbild von “FamilyOne” ist der US-Dienst „Geni“. Selbst die grundlegende Optik der Website haben die Karlsruher sich bei ihren amerikanischen Kollegen geliehen. Zu den Investoren von “FamilyOne” gehört unter anderem der European Founders Fund – das Unternehmen ist auch an “deutsche-startups.de” beteiligt.
Ein Herz für Sportler und Studenten haben Karsten Wysk und Benjamin Nitschke von realis.communities. Pünktlich zum Semesterbeginn gehen die Hannoveraner mit ihrer Community “StudiHelp” online. Im Gegensatz zum übermächtigen Konkurrenten “StudiVZ” wollen die beiden Jugendfreunde mit ihrer Plattform nicht nur das Freizeitleben von Deutschlands Studenten bereichern, sondern auch den Unialltag. Dreh- und Angelpunkt dafür ist eine Unterlagentauschbörse. Das zweite Projekt von realis.communites hört auf den Namen “MeinSport.de” und ist dementsprechend eine Sport-Community. Über die Online-Plattform sollen Sportler demnächst ihr Hobby einfacher und schöner gestalten können. Dabei steht für Gründer Wysk besonders die Organisation bestehender Freundschaften und nicht das oftmals ziellose Knüpfen neuer Cyber-Freundschaften im Mittelpunkt. “Wir glauben daran, dass die meisten Menschen lieber Ihr echtes Leben verschönern wollen, als in eine zweite Welt zu flüchten.”
Treffpunkt für Familien
In wenigen Monaten soll das Familiennetzwerk “PaulsMama” das Licht der Internetwelt erblicken. “Ich möchte einen Platz erschaffen, auf dem sich die ganze Familie einfinden kann. Wo die Omas die aktuellen Bilder und Videos der Enkel sehen können und ich auch mit den Onkels, Tanten, Cousins und Cousinen Kontakt halten kann”, sagt Gründerin Nina-Julia Kunath. Dieser Familienansatz ist der jungen Mutter (Paul kam Ende September 2006 zur Welt) sehr wichtig. “PaulsMama” soll keinesfalls nur ein Netzwerk für junge Mütter sein. Einer der Investoren von “PaulsMama” ist Jens Kunath, ehemals Geschäftsführer des Online-Vermarkters Orangemedia und der Mann von Nina-Julia Kunath.
Im Gegensatz zu “PaulsMama” definieren sich “mamily” und “netmoms” als Mütter-Netzwerke. “Fast alle Mütter recherchieren ihre Fragen online, wenn die Kinder einmal schlafen oder spielen, ihnen fehlt aber eine Plattform, um sich untereinander auszutauschen und neue Kontakte aufzubauen”, sagt Nils König, Geschäftsführer und Gründer von mamily. “netmoms” wiederum will Müttern dabei helfen, andere Mütter aus ihrer Umgebung oder auch aus anderen Teilen Deutschlands kennen zu lernen. Ein besonderes Anliegen sind den “netmoms”-Gründerinnen die Bedürfnisse von berufstätigen Müttern. “Deswegen planen wir die Einführung eines Servicebereichs, in dem Mütter Babysitter in ihrer Umgebung finden oder über ihre Erfahrungen mit Kindergärten und Kinderkrippen berichten können”, sagt Gründerin Stephanie Staar.
Menschen mit gleichen Vorlieben verbinden
Kurz vor dem Start steht “vicinia” von Silab Kamawall. Das soziale Netzwerk soll Menschen mit gleichen Vorlieben automatisch zueinander bringen. “Zum einen über Interessen und zum anderen über besuchte Orte oder Lieblingsplätze”, sagt Gründer Kamawall. Als Zielgruppe hat der Berliner „alle demographischen Gruppen“ ins Visier genommen. Junge Leute könnten über “vicinia” genauso zusammenfinden wie ältere Herren mit einem Faible für Spaziergänge, sagt Kamawall. Die Entwicklung von “vicinia” bezahlte Kamawall bisher aus eigener Tasche. Wenn die neue Community von der Online-Gemeinde angenommen wird, soll aus seinem Netz-Engagement ein eigenes Unternehmen entstehen. Investoren haben bereits an Kamawalls Tür geklopft. Noch sei aber nichts konkret, sagt er.
Obwohl Deutschland beim Thema Existenzgründungen im internationalen Vergleich deutlich hinterherhinkt, werden hierzulande bereits die ersten Stimmen von einer erneuten Blase laut. Dabei braucht Deutschland dringend mehr Menschen, die ihr eigenes Ding machen. Und die Zeiten haben sich sowieso geändert: Die Investoren und die Gründer haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Selbstverständlich wird deswegen nicht aus jedem Startup eine Erfolgsgeschichte, denn Gründen ist immer auch ein Risiko. Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt.